Seidene Küsse
genauso.
»Ich bin sehr froh, dass wir Weihnachten gemeinsam verbringen. Zuerst hatte ich noch etwas Bedenken.«
Überrascht sah Carmen ihn an.
»Nun, eigentlich kannten wir uns nicht. Und bei einem fast fremden Menschen weiß man nicht genau, wie man im Tagesplan zusammenpasst.«
Immer noch sagte Carmen nichts, nickte nur nachdenklich.
»Ich fühle mich sehr wohl hier. Und du hast dir so viel Arbeit gemacht mit dem Essen und der Wohnung.« Bewundernd sah er sich um.
»Das ist etwas, das mir Spaß macht. Ich esse viel zu gern! Vermutlich ist das der Grund, warum ich kochen gelernt habe.«
»Man sieht dir nicht an, dass du gern isst. Und wenn ich nicht selbst miterlebt hätte, was du alles verdrücken kannst, würde ich es nicht glauben.«
Carmen lachte. »Das bekomme ich oft zu hören.«
»Im Ernst, es ist schön, wenn eine Frau nicht immer nur das Essen auf dem Teller hin und her schiebt.«
Carmen lächelte ihn an. »Ein Exfreund von mir nannte mich deswegen immer liebevoll seine gefräßige siebenköpfige Raupe.«
»Dass du noch allein herumläufst, ist mir sowieso ein Rätsel. Die Männer müssten doch Schlange stehen.« Er reichte ihr wieder das Weinglas, nahm seines, und sie stießen an.
Die alte Frage. Warum war man noch alleine? Konnte man das denn genau definieren? »Das Gleiche könnte ich von dir behaupten.« Carmen nippte an ihrem Wein.
»Du meinst, dass Männer bei mir Schlange stehen?« Er lachte. »Ich hoffe nicht.«
Fasziniert sah sie in seine Augen. Sie waren strahlend blau, dicht umrandet von langen schwarzen Wimpern.
»Oh, ich hatte zehn Jahre eine Beziehung, wir wollten irgendwann heiraten und Kinder bekommen«, sagte Mark.
»Was ist schiefgelaufen?«
Nachdenklich drehte er das Weinglas in der Hand. »Wir waren sehr jung, studierten beide, hatten eine schöne Zeit. Dann fingen wir an zu arbeiten und waren viel unterwegs, getrennt. Eines Tages haben wir gemerkt, dass von unserer Liebe nichts mehr übrig war. Sie eher als ich. Sie hat mit mir darüber gesprochen, und wir haben uns getrennt. Ich glaube, sie hatte schon länger über eine Trennung nachgedacht.«
»Wie lange ist das her?« Carmen stellte das Weinglas auf den Tisch, ohne den Blick von seinem Gesicht zu wenden.
Er dachte darüber nach, ehe er eine Antwort gab. »Fast vier Jahre. – Und deine Trennung … Wie lange liegt sie zurück?«
»Sechs Jahre waren es im Oktober. Eine lange Zeit …« Sie drehte die Musik ein wenig lauter. »Hör nur:
O, I believe I can fly
von
R. Kelly.«
Mark stellte das Weinglas ab, stand auf und hielt ihr die Hand hin.
»Was?«
»Na komm schon, lass uns tanzen.« Er nahm ihre Hand und zog sie sanft hoch.
»Jetzt? Hier?« Sie ging dennoch einige Schritte um den Couchtisch herum. Dann trafen sie sich.
Er legte den Arm um ihre Taille und drehte sich im Takt mit ihr. Langsame Schritte. Sein Duft, der ihr zart in die Nase wehte … Ruhig lagen seine Finger an ihrer Taille, ihre Blicke trafen sich und versanken ineinander. Carmen legte den Kopf an seine Schulter, er drückte ihr einen sanften Kuss darauf.
»Du hast wunderbares Haar, es duftet wie frische Wälder.« Seine Stimme war leise, wie die Schneeflocken, die vom Himmel segelten, wie die Musik, die im Hintergrund lief. Etwas rührte an ihrem Herzen, ein leichtes Ziehen.
Ihre Haare, die sie so oft nervten, weil sie sich bei jedem nasskalten Wetter krausten und sich nicht bändigen ließen …
Bei den langsamen Drehungen sah sie den Weihnachtsbaum, dessen angezündete Kerzen von einem weichen warmen Kranz umstrahlt wurden. Die Weingläser auf dem Couchtisch, deren roter Inhalt purpurn funkelte. Dann sah sie nichts mehr, sie ließ sich führen.
Wohlfühlen. Ihr Kopf an seiner Schulter, stark genug, um sich anzulehnen. Sein männlicher Duft, die beschützenden Hände, von denen inzwischen eine in ihrem Nacken lag. Der Tanz der Sinne. Das nächste Lied wurde angespielt, wieder ein langsames. Sie ließen sich nicht unterbrechen. Carmen hätte ewig so stehen und sich von seinen Armen im Takt der Musik wiegen lassen können. Er streichelte ihren Rücken. Als sie sich in die Augen blickten, senkte er langsam seinen Kopf, seine Lippen näherten sich ihr. Die Zartheit seines Kusses rührte sie. Sie machte ihr Herz weit und sehr empfänglich. Während des Kusses drehte er sie weiter im Takt. Wohlfühlen. Der Kuss war die Fortführung des Tanzes und der Übergang zu Neuem.
Carmen löste sich von ihm. Sie sprach leise, um die Stimmung nicht zu
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