Seidene Küsse
für mich, wo ich doch so gern nasche.«
»Ja, ich auch.« Als sich ihre Blicke trafen, war sie weder bei seiner noch bei ihrer Antwort überzeugt, ob sie sich auf die Plätzchen bezog.
Der dicke Schnee dämpfte die Schritte, als sie aus der U-Bahn stiegen. Die Zelte des Weihnachtsmarkts waren in ein verzauberndes Licht getaucht. Blau, Rot und Grün leuchteten sie von innen heraus, und dazu die Schneeflocken, die immer noch vom Himmel schwebten … Vor ihren Augen entstand ein bunter Zaubergarten. Als sie durch den Bogen aus Tannenzweigen spazierten, strömten ihnen alle möglichen Düfte entgegen. Carmen roch unverkennbar die gerösteten Kastanien, dazwischen traf sie der Duft von Nürnberger Rostbratwürstchen; sie vermischten sich mit Duftkerzen, Fladenbrot und afrikanischen Gewürzaromen. Das Stimmengewirr hüllte sie sanft ein, denn der Schnee dämpfte alle Geräusche.
Da Carmen schon oft auf dem Weihnachtsmarkt gewesen war, konnte sie ihm alles zeigen. Ob es nun das Zelt war, wo die Livebands spielten, oder das Amadeon, in dem Montagskonzerte mit musikalischen Neuheiten stattfanden.
»Bist du jedes Jahr hier?«, fragte Mark. Er reichte ihr die Tasse mit der Feuerzangenbowle, die sogleich ihre Hände in den Handschuhen wärmte.
»O ja. Am liebsten, wenn Schnee liegt. Dann mag ich die Atmosphäre hier besonders.«
Mark hakte sich bei ihr unter. »Du bist wohl eine Romantikerin.«
Sie sah zu ihm hoch. »Ist das schlimm?«
»Nein.« Er blickte sie an, als sehe er sie das erste Mal. »Ganz und gar nicht.«
Noch ein Tag, dann käme der vierundzwanzigste. Bis zum sechsundzwanzigsten wollte Mark bleiben. Seine Gesellschaft war Carmen sehr angenehm.
Am dreiundzwanzigsten hatten sie, umgeben von ihrer Weihnachtsdeko, zu Hause gefrühstückt und waren später auf einem kleineren Weihnachtsmarkt in der Nähe gewesen. Eine Rockband hatte nicht nur ihnen gehörig eingeheizt. Seit Tagen lebten sie von Glühwein oder Feuerzangenbowle. Mark hatte seiner Mutter eine Halskette gekauft, ein handgefertigtes Unikat. Die blauen Steine, in Gold eingearbeitet, würden zu ihren Augen passen, hatte er gemeint.
Während Mark zur Toilette gegangen war, hatte sie ihm eine Schneekugel gekauft. In der Kugel sah man ein Paar mit Schlittschuhen, im Hintergrund das Stadttor. Das Paar sah verträumt den Flocken zu, die vom Himmel fielen, wenn die Kugel geschüttelt wurde. Das würde ihn immer an seinen Besuch hier erinnern und vielleicht auch an sie. Außerdem hatte er ihr auf dem Weihnachtsmarkt erzählt, dass er solche Schneekugeln sammelte und inzwischen welche aus vielen Ländern besaß.
Carmen fühlte sich beschwingt, als sie am Herd stand und das Abendessen zubereitete, ständig sich Marks Gegenwart bewusst. Er hatte ihr bei der Vorbereitung geholfen und den Tisch gedeckt. Die Kuschelrock-CD trug zu einer ruhigen, festlichen Stimmung bei.
»Die Soße riecht lecker.« Mark schob sich an ihr vorbei und holte das Besteck, dabei sah er in die Pfannen. »Und wie gut es aussieht.«
»Hier, willst du von der Soße probieren?« Carmen nahm einen kleinen Löffel, der bereitlag, und tauchte ihn in die Pfanne.
Mark nahm den Löffel entgegen, blies die Hitze weg und kostete. Er schloss die Augen und sagte: »Fantastisch.«
Carmen schaltete die Herdplatten ab. »Wir können essen.«
Mark brachte das Besteck zum Tisch und hielt ihr dann die Teller hin, damit sie das Essen darauf verteilen konnte. Der Merlot stand bereits geöffnet am Tisch, und nachdem Mark die Teller abgestellt hatte, schenkte er die Gläser voll.
Das Essen schmeckte beiden so gut, dass nichts mehr übrig blieb. Danach sahen sie sich die Weihnachtsgeschicht e von Charles Dickens im Fernsehen an. Mark hatte den Arm um Carmen gelegt. Welch ein angenehmes Gefühl!
Die Kerzen auf dem Weihnachtsbaum verbreiteten ein warmes Licht und dufteten fantastisch. Die Fichtennadeln vermischten sich mit dem Kerzenduft. Als der Film zu Ende war, schaltete Carmen den Fernseher ab.
»Ich liebe diese alten Hollywood-Produktionen«, sagte Mark. Er beugte sich vor zum Couchtisch und reichte ihr das Weinglas, ehe er seines nahm. Sie stießen mit den Gläsern an, die hell erklangen.
»Wieder eine Gemeinsamkeit.« Sie tranken, und Mark stellte die Gläser ab. Er wandte sich ihr zu, sein Arm warm an ihrer Schulter. »Die neu aufgemotzte Verfilmung gefällt mir nicht«, sagte sie.
»Nein, die ist zu bunt und unruhig, fast ein Klamauk.«
»Ja«, sagte sie überrascht, denn sie empfand es
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