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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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Kröten, Skorpione, Schlangen
und Eidechsen. Das waren die traditionellen Symbole, die gegen die Übel des Sommers wirken sollten – Cholera, Pest, Typhus, Malaria und Fleckfieber. Schneeroses Nadelstiche waren so perfekt wie ihr ganzer Körper.
    Ich leckte mir den Finger und betrachtete Schneeroses weiße Haut. Als mein nasser Finger ihren Bauch knapp über dem Nabel berührte, merkte ich, wie sie nach Luft schnappte. Ihre Brüste hoben sich an, ihr Bauch senkte sich, und überall bekam sie eine Gänsehaut.
    »Ich«, sagte sie. Das war richtig. Das nächste Zeichen schrieb ich unter ihren Nabel. »Denke«, sagte sie. Dann machte ich es genau wie sie und schrieb auf die Stelle neben ihrem rechten Hüftknochen. »Leicht.« Nun der linke Hüftknochen. »Schnee.« Sie kannte das Gedicht, am Text war also nichts Geheimnisvolles, sondern es ging nur um das Gefühl, die Zeichen zu schreiben und zu lesen. Ich hatte ihren Körper an den gleichen Stellen beschrieben wie meinen. Jetzt musste ich etwas Neues finden. Ich wählte die weiche Stelle über dem Bauch, wo die Rippen zusammenkamen. Von meinem eigenen Körper wusste ich, dass diese Stelle sehr empfindlich war für Berührungen, Angst, Liebe. Schneerose erschauderte unter meiner Fingerspitze, als ich »früh« schrieb.
    Nur noch zwei Wörter bis zum Ende der Zeile. Ich wusste genau, was ich tun wollte, aber ich zögerte noch. Ich ließ den Finger über die Zungenspitze gleiten. Dann, ermutigt von der Hitze, dem Mondlicht und dem Gefühl von ihrer Haut an meiner, senkte ich meinen nassen Finger auf eine ihrer Brüste. Ihre Lippen öffneten sich, und ihr entfuhr ein kleines Stöhnen. Sie sprach das Zeichen nicht aus, und ich verlangte es auch nicht. Aber für mein letztes Zeichen in der Zeile legte ich mich neben Schneerose auf die Seite, damit ich aus der Nähe sehen konnte, wie ihre Haut reagierte. Ich netzte mir den Finger, schrieb das Zeichen und betrachtete dabei, wie ihre Brustwarze fest wurde
und sich aufrichtete. Einen Augenblick lang blieben wir ganz still liegen, dann flüsterte Schneerose mit geschlossenen Augen den ganzen Satz. »Ich denke, es ist der leichte Schnee an einem frühen Wintermorgen.«
    Sie rollte sich auf die Seite, um mir ins Gesicht zu sehen. Zärtlich legte sie mir die Hand auf die Wange, wie sie es seit unserer ersten gemeinsamen Nacht vor all den Jahren immer gemacht hatte. Ihr Gesicht leuchtete im Mondlicht. Dann ließ sie ihre Hand über meinen Hals und meine Brust hinunter bis zur Hüfte gleiten. »Es fehlen noch zwei Zeilen.«
    Sie setzte sich auf, und ich drehte mich auf den Rücken. Ich dachte, in diesen vergangenen Nächten wäre es heiß gewesen, aber jetzt, als ich so nackt im Mondlicht lag, hatte ich das Gefühl, als würde ein Feuer in mir brennen, das viel heißer war als alles, was die Götter uns allein durch den Lauf der Jahreszeiten auferlegen konnten.
    Ich zwang mich, mich zu konzentrieren, als mir klar wurde, wo sie das erste Zeichen hinmalen wollte. Sie war ans Bettende gerutscht und hatte meine Füße auf ihren Schoß gehoben. Sie fing an der Innenseite meines linken Knöchels zu schreiben an, direkt über dem Rand meines roten Nachtschuhs. Als sie fertig war, wandte sie sich meinem rechten Knöchel zu. Von da an beschrieb sie die Beine immer abwechselnd, stets knapp über dem Rand der Bandagen. Meine Füße – die mir so viel Schmerz und Sorge, so viel Stolz und Schönheit beschert hatten – kribbelten vor Vergnügen. Wir waren seit acht Jahren Weggefährtinnen, aber so nahe waren wir uns noch nie gewesen. Als sie fertig war, hieß es: »Blicke ich auf, erfreut mich der Vollmond am Nachthimmel.«
    Auch sie sollte nun empfinden, was ich empfunden hatte. Ich hielt ihre goldenen Lilien in den Händen, dann legte ich sie mir in den Schoß. Ich wählte die Stelle, die für mich die köstlichste gewesen war – die Höhlung zwischen dem Sprungbein und der
Sehne, die über der Ferse nach oben läuft. Ich schrieb das Zeichen, das »sich bücken«, »einen Kotau verrichten« oder »sich niederwerfen« bedeuten kann. Auf den anderen Knöchel schrieb ich das Wort »Ich«.
    Ich legte ihre Füße wieder ab und schrieb ein Zeichen auf ihre Wade. Danach wählte ich eine Stelle an der Innenseite ihres linken Oberschenkels, gleich über dem Knie. Meine letzten beiden Zeichen kamen weit oben auf ihre Schenkel. Ich beugte mich hinab, um konzentriert möglichst perfekte Zeichen zu schreiben. Ich blies auf die Striche, denn ich wusste, wie

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