Seidenfächer
Rändern oder die ausgeschnittenen Papiermuster, aber keine von ihnen verlor auch nur ein Wort über die Schönheit der Schrift oder der ausgedrückten Gedanken. Nach ein paar Minuten nahmen die Frauen ihre Plätze im Zimmer ein.
Schneeroses Schwiegermutter ging zu einer Bank. Ihre Füße waren nicht so schlecht gebunden worden wie die meiner Mutter, aber ihr seltsamer Gang bezeichnete ihre Herkunft noch deutlicher als die kehligen Laute, die aus ihrem Mund drangen. Sie setzte sich, betrachtete ihre neue Schwiegertochter abschätzig, dann richtete sie ihren kalten Blick auf mich. »Ich höre, Ihr habt in die Familie Lu eingeheiratet. Ihr könnt Euch glücklich schätzen.« Das waren zwar höfliche Worte, aber so wie sie sie aussprach, klang es, als hätte ich mich in Abfall gewälzt. »Die Leute sagen, dass Ihr und meine Schwiegertochter Nushu gut beherrscht. Die Frauen in unserem Dorf schätzen diesen Zeitvertreib nicht. Wir können es lesen, aber wir finden, es ist besser, es zu hören.«
Da war ich anderer Meinung. Diese Frau war wie meine Mutter – sie konnte Nushu weder lesen noch schreiben. Ich sah mich im Zimmer um und machte mir ein Bild von den anderen Frauen. Sie hatten keine Bemerkung über die Schrift gemacht, weil auch sie wahrscheinlich nur sehr wenig davon kannten.
»Wir haben es nicht nötig, unsere Gedanken in Gekritzel auf Papier zu verstecken«, fuhr Schneeroses Schwiegermutter fort. »Jeder in diesem Raum weiß, was ich davon halte.« Als diese Bemerkung mit verlegenem Gelächter bedacht wurde, hob sie drei Finger, um ihre Freundinnen zur Ruhe zu bringen. »Es würde uns Spaß machen, Euch zuzuhören, wie Ihr die sanzhaoshu meiner Schwiegertochter vorlest. Die Einschätzung meiner Schwiegertochter durch ein Mädchen aus großem Hause in Tongkou ist uns höchst willkommen.«
Alles, was diese Frau von sich gab, war ein Hohnlächeln in Worten. Ich reagierte wie eine typische Siebzehnjährige. Ich nahm das Dritter-Tag-Hochzeitsbuch, das Schneeroses Mutter vorbereitet hatte, und schlug es auf. Ich stellte mir ihre vornehme Stimme vor und versuchte, sie beim Singen nachzuahmen.
» An diesem dritten Tag nach deiner Hochzeit präsentiere ich diesen Brief deinem edlen Heim. Ich bin deine Mutter, und wir sind nun seit drei Tagen getrennt. Unsere Familie wurde von Unglück heimgesucht, und du heiratest jetzt in ein schwieriges Dorf ein.« Wie es für ein Dritter-Tag-Hochzeitsbuch Brauch war, wechselte nun das Thema, und Schneeroses Mutter wandte sich an die neue Familie. » Ich hoffe, Ihr habt mit meiner Tochter Erbarmen, weil ihre Mitgift so ärmlich ist. Selbst die oberste Schicht ist ganz einfach. Bitte erwähnt es nicht. « So ging es weiter. Das Unglück von Schneeroses Familie wurde erzählt, ihr sozialer Abstieg und die Armut, unter der sie jetzt litten, aber ich ließ den Blick über diese Schriftzeichen schweifen, als würden sie
gar nicht dastehen. Stattdessen dachte ich mir einen neuen Text aus. » Eine gute Frau wie unsere Schneerose sollte in ein gutes Haus kommen. Sie verdient eine anständige Familie. «
Ich legte das Buch weg. Es war ganz still im Raum. Ich nahm das Dritter-Tag-Hochzeitsbuch, das ich für Schneerose geschrieben hatte, und öffnete es. Ich fixierte Schneeroses Schwiegermutter. Sie sollte wissen, dass meine laotong in mir immer eine Beschützerin haben würde.
» Für die Leute mögen wir einfach Mädchen sein, die weggeheiratet haben «, sang ich in Schneeroses Richtung, » aber unsere Herzen werden nie getrennt sein. Du steigst ab. Ich steige auf. Deine Familie schlachtet Tiere. Meine Familie ist die beste im Landkreis. Du bist mir so nahe wie mein eigenes Herz. Unsere Zukunft ist miteinander verknüpft. Wir sind wie eine Brücke über einen breiten Fluss. Wir gehen nebeneinander her. « Ich wollte, dass mir Schneeroses Schwiegermutter zuhörte . Doch sie starrte mich nur misstrauisch an. Ihre dünnen Lippen waren zu einem abfälligen Strich zusammengepresst.
Als ich zum Ende kam, fügte ich wieder ein paar neue Sätze hinzu. » Zeige dein Leid nicht, wenn andere dich sehen können. Weine nicht laut. Gib ungehörigen Menschen keinen Grund, sich über dich oder deine Familie lustig zu machen. Halte dich an die Regeln. Glätte deine ängstliche Stirn. Wir werden für immer Weggefährtinnen sein. «
Schneerose und ich bekamen keine Gelegenheit, uns zu unterhalten. Ich wurde zurück zu meiner Sänfte geführt und kehrte in mein Elternhaus zurück. Sobald ich allein
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