Seidenfächer
sollte, ohne Schneerose an ihren eigenen Verrat zu erinnern. Als wenn diese Geheimnisse nicht ausreichten, um das Gespräch zu ersticken, hatten wir nun auch noch Ehemänner, mit denen wir Dinge machten, die sehr peinlich waren. Es war schon schlimm genug, wenn unsere Schwiegerväter an der Tür lauschten oder unsere Schwiegermütter morgens das Bettzeug überprüften. Trotzdem, über irgendetwas mussten Schneerose und ich ja reden, und beim Thema Schwangerschaft fühlten wir uns wohler, als wenn wir uns auf jenes andere, dornige Feld begeben hätten.
Zaghaft sprachen wir darüber, welche Voraussetzungen nötig sind, damit ein Baby sich festsetzen kann, und ob unsere Männer diesen Ritualen folgten. Jeder weiß, dass der menschliche Körper eine Miniaturversion des Universums ist – Augen und Ohren sind Sonne und Mond, der Atem ist Luft, Blut ist Regen. Umgekehrt spielen diese Elemente eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines Babys. Deshalb sollte kein Liebesspiel stattfinden, wenn Regen vom Dach läuft, denn dann wird sich ein Baby gefangen fühlen. Es sollte auch nicht während eines Gewitters dazu kommen, denn dann empfindet das Baby Angst vor Zerstörung. Und es sollte auch nicht stattfinden, wenn der Mann oder die Frau Kummer hat, denn dann werden diese dunklen Geister in die nächste Generation hineingetragen.
»Es heißt ja, man soll auch nach zu harter Arbeit aufs Liebesspiel verzichten«, klärte mich Schneerose auf. Sie sah erschöpft aus. Ich fühlte mich genauso, wenn ich von meinem Mann zurückkehrte. Schließlich hatten wir unablässig gearbeitet, waren stets zu allen höflich gewesen und hatten unter ständiger Beobachtung gestanden. »Aber ich glaube nicht, dass meine Schwiegermutter davon gehört hat.«
»Diese Regel hält meine Schwiegermutter auch nicht ein«,
klagte ich mitfühlend. »Wissen sie denn nicht, dass ein leerer Brunnen kein Wasser gibt?«
Wir schüttelten beide den Kopf über unsere Schwiegermütter, aber wir sorgten uns auch, dass wir im Falle einer Schwangerschaft vielleicht keine gesunden oder intelligenten Söhne bekommen würden.
»Tante hat mir gesagt, was die beste Zeit ist, um schwanger zu werden«, sagte ich. Auch wenn alle ihre Babys bis auf Schöner Mond gestorben waren, vertrauten wir in dieser Beziehung trotzdem auf Tantes Sachkenntnis. »Es darf nichts Unangenehmes in deinem Leben geben.«
»Ich weiß«, seufzte Schneerose, dann rezitierte sie: »Wenn das Wasser ruhig ist, atmet der Fisch ganz leicht; wenn kein Wind weht, steht der Baum fest.«
»Wir brauchen beide eine ruhige Nacht, wenn der Vollmond hell scheint. Das erinnert sowohl an den runden Bauch einer Schwangeren als auch an die Reinheit der Mutter.«
»Und der Himmel muss noch klar sein«, fügte Schneerose hinzu, »denn das verrät uns, dass das Universum ruhig und bereit ist.«
»Und wir und unsere Männer sind glücklich, so dass der Pfeil sein Ziel trifft. Bei diesen Umständen, so sagt Tante, kommt selbst das tödlichste Insekt hervor, um sich zu paaren...«
»Ich weiß schon, was alles stimmen muss.« Schneerose seufzte erneut. »Aber es trifft kaum einmal alles gleichzeitig zu.«
»Wir müssen es versuchen.«
Und so brachten Schneerose und ich bei unserem ersten Besuch im Gupotempel Opfergaben dar und beteten darum, dass dies alles eintreffen würde. Doch obwohl wir die Regeln befolgten, so gut es ging, wurden wir nicht schwanger. Glaubst du denn, es ist so einfach, schwanger zu werden, wenn man nur ein paar Mal im Jahr zum Liebesspiel kommt? Manchmal war mein Mann so begierig, dass sein Saft nicht einmal in mich eindrang.
Bei unserem zweiten Tempelbesuch als Ehefrauen waren unsere Gebete an Gupo inbrünstiger und unsere Opfergaben größer. Danach besuchten Schneerose und ich wie immer den Taromann, um unser spezielles Hühnergericht und danach unser Lieblingsdessert zu essen. Sosehr wir zwei diese Sachen liebten, wir aßen beide nicht mit Genuss. Wir verglichen unsere Notizen und versuchten uns eine neue Taktik auszudenken, um schwanger zu werden.
In den darauf folgenden Monaten bemühte ich mich nach Kräften, meiner Schwiegermutter alles recht zu machen, wenn ich im Haushalt der Lus war. In meinem Elternhaus versuchte ich mich möglichst angenehm zu verhalten. Doch alle sahen mich mittlerweile ein wenig schräg an. Ich war mir sicher, das taten sie, weil ich immer noch nicht schwanger war. Ein paar Monate später überbrachte mir Ehrenwerte Frau Wang einen Brief von Schneerose.
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