Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel
blau über violett bis grün.
„Das gehört dazu.“ Er lächelte. Isabelle kam die Nadel wie ein Friedensangebot vor. Sie war sich nicht sicher, ob sie es annehmen sollte. Kyo hatte sie verraten. Aber wie sie für sich selbst schon festgelegt hatte, konnte sie niemandem trauen. Nicht, bis sie Shin gefunden und mit ihm weg von alledem war. Sie lächelte zögerlich und nahm die Haarnadel.
Toshi saß in seinem Büro hinter dem großen Schreibtisch und hörte His Report an, die ihm einen kurzen Abriss über die Ereignisse der letzten Tage gab. Die Videokameras im Haus hatten zwar alles aufgezeichnet, aber Toshi wollte eine persönliche Einschätzung Isabelles durch die beiden Zwillinge. Seit er sie bei einer seiner Europareisen getroffen hatte, war ihm klar geworden, dass er Experten vor sich hatte. Die beiden Engländer waren loyal, verschwiegen - und perfekte Schützen. Tsuki war, wie seine Schwester, Meister in Karate, Jiu-Jitsu und Iai-dō, und außerdem ein ausgezeichneter Scharfschütze. Hi bevorzugte kleine, handliche Feuerwaffen, mit denen sie ihr Ziel so gut wie nie verfehlte. Zusammen ergab das eine höchst gefährliche Mischung, die sich jedem in den Weg stellte, der es wagte, Toshi, oder der Yamanote-Gruppe etwas zu tun.
„Denkst du, es wird mit ihr Probleme geben?“, fragte Toshi, nachdem Hi geendet hatte.
„Ich bin nicht sicher“, gab die blonde Engländerin zu und wirkte unentschlossen. „Zurzeit sind die verschiedenen Yakuza-Clans uneins. Das Oberhaupt von Tokio ist gestorben, und jeder Clanchef versucht, sich an die Spitze zu drängen.“
Toshi nickte nur abwesend. Er wusste selbst nur zu gut, wie die augenblickliche Lage war. Der Yamanote-Clan und dessen Anführer wurden zwar als Favorit gehandelt: Sie hatten im Augenblick die besten Chancen, sich nach ganz oben aufzuschwingen. Aber es gab genug andere Gruppen, die den Yamanote-Chef und ihn, als dessen rechter Hand, aus dem Weg räumen und den Clan auflösen wollten. Auf diese Weise konnten mindestens drei weitere Gruppen darauf hoffen, die Macht zu übernehmen.
„Dein Plan ist riskant, Oyabun“, fuhr Hi fort. Toshi lächelte. Die Zwillinge waren zwar lange in Japan, aber ihren englischen Akzent hatten sie nie ganz ablegen können. Oyabun, die Anrede für einen sehr hochgestellten Yakuza, klang aus His Mund noch immer bezaubernd exotisch.
„Ich weiß, Hi. Aber genau deshalb brauche ich euch. Ich will, dass ihr beiden auf Isabelle achtgebt. Ihre Anwesenheit wird sich bald herumsprechen, und wenn bekannt ist, wer sie ist, wird ihre Sicherheit gefährdet. Ich befürchte, vor allem vom Mashimi-Clan haben wir etwas zu erwarten.“
Tsuki hatte bisher stumm neben Hi gestanden und ihrem Bericht zugehört. Jetzt aber sprach auch er: „Ich kümmere mich darum.“
„Das ist gut. Ich werde heute Abend mit unserem Gast zurück nach Tokio fahren. Sie soll Kamo Sensei kennenlernen.“ ‚Und mir verfallen‘, fügte er in Gedanken hinzu. Isabelle musste ihm absolut gehorchen, sie musste ganz ihm gehören, ansonsten war sein gesamter Plan gefährdet. Hi hatte recht: Was er vorhatte, war riskant. Aber es gab keine andere Wahl.
Später wartete er im Rücksitz seiner schwarzen Limousine auf Isabelle. Er hatte Hi und Tsuki geschickt, um die junge Deutsche zu holen. Sie schien zu den beiden so etwas wie Vertrauen gefasst zu haben, auch wenn sie sonst sehr misstrauisch war.
Die Wagentür öffnete sich, und Toshi war erstaunt über den Anblick, der sich ihm bot. Isabelle hatte den Kimono angelegt, den er in ihren Raum hatte bringen lassen, - die Wirkung war atemberaubend. Die Seide umschmeichelte ihre hohe, schlanke Gestalt. Isabelles Brüste waren wesentlich größer als die der meisten Japanerinnen, daher saß ihr Obi etwas tiefer als gewöhnlich und öffnete den Ausschnitt weiter. Das glänzende rote Haar hatte sie zu einem lockeren Knoten geschlungen, der von einer Haarnadel gehalten wurde. Die Perlen, die als Verzierung daran baumelten, wirkten wie Sterne in ihrem Haar. Selbst die weißen Socken, die Tabi, und die Getas hatte sie angezogen.
Toshi räusperte sich unmerklich und reichte ihr seine Hand, um ihr ins Innere des Wagens zu helfen. Isabelle sah nicht einmal auf, sondern stieg, ohne seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, in den Wagen. Das geschah sehr umständlich, aber sie verzog keine Miene. Hi und Tsuki folgten ihr. Hinter Isabelles Rücken konnten die beiden sich ein spöttisches Lächeln in Richtung Toshi nicht verkneifen, was aber durch
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