Seidenfpade
amerikanischen Zollbehörden verfügen über ein weltweites Spionagenetz, das Sendungen aus bekannten Drogenexportländern überwacht. Ganz besonders aus Bangkok.«
»Deshalb wollte ich ja auch nicht, daß die Container aus Bangkok kommen. Aber nein, deiner Ansicht nach sollten wir darauf vertrauen, daß Liu schon weiß, wie er die Seide rüberschmuggelt.«
»Liu hat sieben Container auf diesem Schiff. Alle blau. Alle aus dem Verteilernetz des Himmel-und-Erde-Tong.«
Kasatonin lachte. »Die Amerikaner werden so beschäftigt sein wie Fliegen auf einen Scheißhaufen.«
»Ahhh«, schnurrte Katja. »Wirklich clever. Und Liu allein weiß, in welchem Container sich die Schmuggelware befindet.«
»Du und ich, wir wissen es«, berichtigte Kasatonin.
»Aber natürlich. Wir haben ja auch genug bezahlt für die Information.«
»Wir hätten sie auch so bekommen können.«
Katja lächelte.
»Liu ist wirklich klug«, zollte sie ihm Beifall. »Keiner aus der Harmony weiß Genaues über seine Verbindungen.«
»Außer uns - diesmal jedenfalls.«
Kasatonin schwieg und versuchte, die Kennzahl auf den Schmalseiten der blauen Container zu entziffern. Es kostete ihn einige Mühe, aber das Fernglas war stark, und der Sedan bot eine stabile Plattform.
»Acht-neun-drei-drei-fünf«, sagte Kasatonin auf russisch.
»Welcher? Wo?«
Katjas Stimme klang schrill vor Aufregung und Ungeduld. So nah, so greifbar nah lag die Erfüllung ihrer Träume - Macht und Reichtum in einem Ausmaß, daß sie sich nie wieder bedroht fühlen mußte.
Sicherheit!
Endlich!
Zum Greifen nah.
»Die Kiste in der obersten Reihe hinter dem Fockmast«, informierte Kasatonin sie.
»Wird sie als erste ausgeladen?«
»Wahrscheinlich.«
Katja runzelte die Stirn. »Ich hätte sie woanders plaziert.«
»Ich auch. Zollbeamte sind am Anfang einer Inspektion viel gründlicher als am Ende.«
Kasatonin ließ das Fernglas sinken und blickte Katja an. Sie zog eine Grimasse.
»Wenn wir protestieren«, gab Katja zu bedenken, »verraten wir uns.«
Kasatonin schwieg.
Das genügte Katja als Antwort. Beide wußten, daß die Harmony ein sensibel ausbalanciertes Gefüge von Vertrauen und Mißtrauen war.
Aber Buddhas Robe konnte man keinesfalls irgend jemandem anvertrauen. Liu hatte man lediglich gebeten, etwas in einem Glasbehälter zu schmuggeln. Nur Katja und Kasatonin wußten, was darin steckte; denn der Mann, der ihn geblasen und die Seide in seinem Innern verstaut hatte, war nun tot.
Zumindest hatte Kasatonin es so geplant. Er nahm an, daß Liu inzwischen ahnte, was sich in dem Zylinder befand, so wie Kasatonin die Schmuggelroute herausbekommen hatte.
»So viel Mühe wegen eines Stoffetzens«, bemerkte Kasatonin auf russisch.
»Für dich ist es ein Fetzen - für Kodjimura das Turiner Grabtuch und der Heilige Gral in einem!«
»Was für eine Dummheit!«
»Wenn die Leute keine Dummköpfe wären, wo blieben wir dann?« fragte Katja.
»Wir wären tot oder arme Schlucker, was im Grunde auf dasselbe hinausläuft.«
Katja lachte.
»Das Entladen hat begonnen«, brummte Kasatonin.
Sofort wandte Katja ihre Aufmerksamkeit wieder dem Dock zu.
Die auf Schienen laufenden Container- oder Ladebrücken rollten in Position. Langbeinige, achträdrige Portalstapler sammelten sich wie übergroße Stahlkrebse, damit sie die Container, sobald sie von den Kranen auf dem Dock abgesetzt worden waren, beiseite räumen und aufeinanderschichten konnten. Wenn das Signal einmal gegeben war, würde das Containerschiff in atemberaubender Geschwindigkeit entladen sein.
Katja klopfte an die Trennscheibe des Wagens.
Die Scheibe rollte herunter. Eine Rauchwolke schwallte in den luxuriösen Fond. Äußerlich mochte Tony Liu ja ruhig erscheinen, doch er zündete schon seit einer Stunde eine starke asiatische Zigarette nach der anderen an.
Katja ließ die verdunkelte Seitenscheibe des schwarzen Cadillac Sedan herunter.
»Katja«, warnte Kasatonin sie.
»Chinesischen Tabak kann ich einfach nicht ausstehen«, sagte sie in barschem Russisch. »Und es ist auch niemand in der Nähe.«
Ein kalter Wind fegte von der Bucht herein. Die Esmeralda dockte weniger als hundert Meter von ihnen entfernt an. Von dort, wo sie standen, auf dem Parkplatz der Reederei, ragte ihr Schornstein hinter sauber gestapelten Reihen verschiedenfarbiger Container auf.
»Welcher Container ist unserer?« fragte Katja Liu auf englisch.
»Der dort an der Außenseite, gleich hinter dem Ruderhaus.«
»Wie wurde der
Weitere Kostenlose Bücher