Seidenfpade
Glaszylinder versteckt?«
Liu hustete diskret, ließ sein Seitenfenster herunter und spuckte hinaus.
Katja konnte kaum ihren Ekel verbergen. Die Manieren dieses Mannes waren heute sogar noch beleidigender als gewöhnlich.
»Reis«, klärte Liu sie auf. »Ein Sack Basmatireis.«
»Ist das nicht verdächtig?« fragte Katja. »Amerikaner exportieren Reis, sie importieren ihn nicht.«
Liu lächelte. »Basmati ist sehr beliebt bei amerikanischen
Gourmets. Es befinden sich zweihundert Säcke in dem Container.«
»Und der Zylinder? Ist er auch darin?« fragte Kasatonin.
»Ja.«
»Glas kann zerbrechen!«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Kasatonin. Ich verstehe mein Geschäft.«
»Aber natürlich«, versicherte Katja rasch. »Euer Tong ist beispiellos.«
Es war keine falsche Schmeichelei, sondern die simple Wahrheit. Liu nickte gemessen.
»Ich mache mir weniger Sorgen um das Glasrohr als um Spione«, erklärte sie nun.
Tony Liu sog zwischen seinen weit auseinander stehenden Vorderzähnen die Luft ein, was bei ihm, wie gesagt, ein Zeichen von Verärgerung war.
»Die Mitglieder des Himmel-und-Erde-Tong sind äußerst loyal«, zischte er.
Katja, die wußte, wie sehr Liu intime Berührungen mißfielen, langte über die Trennscheibe hinweg und streichelte seine Wange.
»Ich wollte Ihren Tong nicht beleidigen«, zwitscherte sie. »Aber wir sind schließlich lange genug dabei und wissen, daß Loyalität in unserem Geschäft immer käuflich ist.«
Wieder zog Liu zischend die Luft durch seine Vorderzähne. Katja lächelte und zog ihre Hand zurück.
Der Gabelstapler machte sich ans Entladen der Esmeralda. Kisten wurden bewegt und Gerät in Position gebracht. Ohne weitere Umschweife beförderte der Ausleger der Ladebrücke die drei blauen Container, die hinter dem Ruderhaus standen, an Land. Vorsichtig setzte er sie auf dem Asphalt auf.
Die Vorderdeckcrew beim Ruderhaus schien weniger tüchtig zu sein. Der erste der vier Container, acht-neun-drei-drei-fünf, hing immer noch am Vorderdeckausleger, als ein dunkelblauer Helikopter über die Elliot Bay hinwegfegte. Der Chopper flog die gesamte Länge der Esmeralda ab, hing einen Moment lang reglos in der Luft und flog dann zu dem Containerstapel zurück.
Gleichzeitig drang Sirenengeheul von der Straße jenseits des Parkplatzzauns herüber. Drei Sedan rasten an den überraschten Torwachen vorbei auf den Containerumschlagplatz.
Die Wagen waren dunkelblau, genau wie der Helikopter. Mit quietschenden Reifen und heulenden Sirenen flitzten sie zwischen den herumstehenden Containern und Stapeln auf die drei blauen Container zu, die vorhin gelöscht worden waren.
Als die Autos an ihnen vorbeirasten, zog Katja rasch den Kopf zurück, um nicht gesehen zu werden. Das Symbol auf den Wagentüren war eindeutig. Eine Adrenalinwelle schoß in Katja hoch und brachte sie zum Zittern.
»Amerikanischer Zoll«, ächzte sie.
Der Kranführer begann die kostbare Ladung auf das Dock zu senken - und direkt in die Arme der wartenden Behörden.
Liu beobachtete das Ganze mit vollkommener Gleichgültigkeit. Sein Fahrer hockte mit heruntergezogener Mütze hinter dem Steuer. Nach der Haltung der beiden zu schließen, konnten sie ebensogut tot sein.
»Was soll das?« fragte Katja barsch auf englisch.
Liu streckte die Hand aus und tätschelte seinerseits Katjas Wange.
»Der amerikanische Zoll, wie erwartet«, bestätigte er.
»Wovon reden Sie?«
»Schauen Sie zu«, forderte Mr. Tong sie auf. »Sie werden etwas lernen.«
Mit diesen Worten wandte er sich wieder dem Schauspiel vor ihm zu.
Kasatonin machte eine plötzliche Bewegung in Richtung Liu, doch Katja hielt ihren mordlustigen Liebhaber mit einer kurzen Geste zurück.
»Warte«, sagte sie auf russisch.
»Wenn er uns verraten haben sollte ...«, knurrte Kasatonin in derselben Sprache.
»Ja«, unterbrach Katja ihn, »dann tötest du ihn.«
»... hoffentlich nicht zu spät!«
»Für den Tod bleibt immer noch Zeit.«
Mit zornig zusammengekniffenen Augen beobachtete Kasatonin die Werft.
Ebenso wie das Entladen des Containerschiffs, so war auch die Razzia gut organisiert. Ein Dutzend Zollbeamte in blauen Overalls sprang mit Gewehren und Pistolen bewaffnet aus den drei Wagen. Die Männer schwärmten über das Dock und sicherten das Gelände ab.
Noch mehr Autos tauchten auf. Zwei Hundeeinheiten trafen in Lieferwagen ein. Hunde und Hundeführer sprangen heraus. Deutsche Schäferhunde zerrten aufgeregt und ungeduldig an ihren
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