Seidenmagd
nicht. Hinter ihrem Rücken wird auch getuschelt. Denk mal darüber nach!« Er stapfte zurück zur Kutsche und stieg auf, ohne weiter auf sie zu achten.
Als sie zurück in die Stadt kamen, stand Abraham ter Meer am Straßenrand. Er schaute Catharina überrascht an und schüttelte dann den Kopf. Diesmal spürte sie die Pein der Verlegenheit fast körperlich. Was mag er nun über mich denken? fragte sie sich beschämt.
Am nächsten Morgen brachen sie früh auf. Catharina schaute noch einmal nach Thea, doch diese schien so fest zu schlafen, dass sie sie nicht wecken wollte.
Diesmal stand nicht die offene Kutsche im Hof, sondern die Berline. Auch die Reisetruhen waren schon aufgeladen worden. Fast wie vor einem Jahr, dachte Catharina undstieg ein. Auch wenn die Fahrt diesmal nicht so lang werden wird.
»Auf ein Wort, Neffe!«, rief Monsieur von der Leyen, gerade als Frieder in die Kutsche steigen wollte. »Hier sind noch zwei Briefe. Einer an den Kurfürsten, der andere an Monsieur Herstatt. Ich möchte, dass du die Familie so schnell wie möglich aufsuchst.«
»Ach, Oheim, haben wir diese Diskussion nicht schon ausführlich genug geführt? Seine Tochter mag eine Schönheit sein, aber ich ...«
»Junge, es geht um Politik. Immer. Auch ich bin aus monetären und taktischen Gründen die Ehe eingegangen, genau wie mein Bruder. Ich habe Glück gehabt und führe eine harmonische Beziehung. Dieses Glück war meinem Bruder nicht beschert, aber vielleicht hätte er seine Gattin auch früher zur Räson rufen müssen.«
»Oheim, ich habe mich zu dem Thema schon ausreichend geäußert. Du weißt, wie ich darüber denke.«
»Herstatt hat ausgezeichnete Kontakte zum Kurfürsten und zum Königshaus. Er ist ein wichtiger Mann. Es wäre gut, ihn in der Familie zu haben.«
»Das mag ja sein, aber ...«
»Ich weiß, du verfolgst andere Pläne. Doch denk mal darüber nach. Sie ist ein schlichtes Mädchen, schön, aber einfach. Sie kommt aus einer einfachen Familie und wird uns nicht gerecht. Du hast meine Wünsche in dieser Hinsicht zu beachten. Halt sie dir als Mätresse. Ich bin bereit, dafür zu zahlen. Mehr aber nicht. Und denke daran, ich bin dein Vormund.«
Frieder seufzte. »Ja, Oheim.«
»Bon Voyage!«
Frieder stieg in die Kutsche, setzte sich und starrte aus dem Fenster. War ihm bewusst, dass Catharina die Unterhaltung mit angehört hatte? Sie biss sich auf die Lippe und fragte sich, ob es noch die Möglichkeit gab, auszusteigen. Sollte sie wirklich unter diesen Vorzeichen mit ihm reisen? Auf der anderen Seite wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen, denn hatte er nicht gesagt, dass seine Absichten ihr gegenüber nur ehrbarer Natur waren? Er wollte sie ehelichen, da war sie sich nun sicher.
Am liebsten hätte sie ihm gesagt: Lass es uns tun, lass uns unser Leben führen, lass uns glücklich werden miteinander. Das viele Geld war nicht soviel wert wie ein glückliches Leben. Natürlich würden sie auf einiges verzichten müssen, aber das mussten andere auch.
Frieder war während der Fahrt sehr schweigsam, und Catharina traute sich nicht, die Stille zu unterbrechen. Sie nächtigten bei Verwandten der Familie von der Leyen in Neuss. Ein wenig schmerzte es Catharina, dass sie mit den Bediensteten essen musste und auch nur eine einfache Kammer zugewiesen bekam.
Als sie am nächsten Tag in die Kutsche stiegen, wirkte Frieder wie ausgewechselt.
»Habt Ihr das Buch gelesen, das ich Euch empfohlen habe?«, fragte er Catharina.
»O ja, und nicht nur das. Auch das Werk von Shakespeare, das Monsieur ter Meer in einer wunderbaren Übersetzung hatte.«
»Ich dachte, Ihr hättet an Eurem Englisch gearbeitet?«
»Das habe ich auch.« Catharina zog einen Schmollmund. »Ter Meer hatte beide Ausgaben – und ich habe die Übersetzung nur gelesen, um sicherzugehen, dass ich es auch verstehe.«
»Ihr seid eine bemerkenswert kluge Dame.« Frieder lächelte. »Das Thema kommt schon bei Ovid vor.«
Wieder nickte Catharina eifrig. »Auch diesen Text habe ich mir besorgt, weiß aber immer noch nicht, weshalb es Euch so wichtig war.«
»Schaut, der Kurfürst zu Köln, der verstorbene Kurfürst Clemens August war ein Liebhaber der schönen Künste. In seinem Schloss gibt es ein kleines, aber gut ausgestattetes Hoftheater, in dem immer wieder hervorragende Aufführungen zu sehen sind. Sein Nachfolger Maximilian Friedrich scheint diese Tradition zu meinem Entzücken fortzuführen. Und justament in diesem Monat gibt es dort eine
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