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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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das normale Leben zurückzufinden. Zudem war sie todmüde, weil sie nachts nicht zur Ruhe kam. Zu viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Trotzdem genoss sie die anheimelnde Wärme der ter Meerschen Küche, den Würzwein und die Gespräche. Es war ein wenig, als würde sie von einer Reise wieder nach Hause kommen, obwohl sie nur einige Stunden bei den von der Leyen gearbeitet hatte. Mit halbem Ohr lauschte sie den Gesprächen der Frauen, die sich über die Preise ausließen und mit leiserer Stimme über ihre Quartiergäste berichteten.
    »De Lancet.« Anna kicherte. »So wird er von allen genannt. Er ist Arzt, Regimentsarzt im Lazarett. Sein Geburtsname ist aber del Banc.« Sie füllte die Becher der Frauen, wies die Magd an, das Brot aus dem Ofen zu holen, und stellte ein Brett mit Käse auf den Tisch. »Lancet – die kleine Klinge ...« Wieder lachte Anna leise auf. »Aber klein ist er gar nicht. Ich bin froh, dass er in das Bett passt, und wie er mit seinen Fingern chirurgische Instrumente führen will, möchte ich gar nicht wissen.«
    Catharina sah ihre mütterliche Freundin Anna an. Sie war meistens die friedlichste und freundlichste Seele der Gemeinde. Neid und Spott waren ihr immer fremd gewesen. Doch die Franzosen hatten ihr sehr zugesetzt, und sie hatte sich im Laufe der Jahre verändert. Zwei kleine und kaum sichtbare Furchen hatten sich in ihre Mundwinkel eingegraben, eine Falte stand zwischen ihren Augenbrauen.
    »Zum Glück mussten wir niemanden in Quartier nehmen.« Esther seufzte. »Ich wüsste gar nicht, wie ich das bezahlen sollte. Oder bekommt Ihr dafür Geld, Madame ter Meer?«
    Anna schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind verpflichtet, die höheren Ränge des Regiments unterzubringen. Samt ihrem Gefolge. Für die Pferde gilt das auch. Im Januar hatten wir den Docteur und seine beiden Burschen schon einmal im Quartier. Drei Pferde mussten wir unterstellen und durchfüttern. Aber es war ihm hier zu klein und zu beengt, er ist zu Scheutens gezogen – den Cousins meines Gatten.« Sie senkte den Kopf. »Doch die haben jetzt einen ranghöheren Quartiersgast, und so ist Monsieur Lancet zu uns zurückgekehrt.«
    »Er war doch nicht ganz einfach?«, fragte Geertie Lobach.
    »Er ist immer noch nicht einfach.« Anna seufzte wieder. »Aber was sollen wir tun? Abraham bemüht sich, es Lancet so recht wie möglich zu machen, doch er findet unser Haus beengend.«
    Esther schnaubte. »Sollen sie doch zurückgehen nach Frankreich in ihre eigenen Häuser.«
    »Eh bien, sie sind ja nicht freiwillig hier, zumindest die meisten nicht und wären ganz sicher jetzt auch lieber zu Hause bei ihren Familien.« Anna nahm sich ein Stück Brot und etwas Käse. Mit einer Geste forderte sie die anderen auf, sich zu bedienen.
    »Dieser Krieg muss doch bald zu Ende sein«, sagte Catharina leise.
    »Habt Ihr bei den von der Leyen etwas gehört? Gibt es Fortschritte bei den Friedensverhandlungen?«
    Catharina zuckte mit den Achseln. »Davon weiß ich nichts. Sie haben nur über die Feierlichkeiten geredet.«
    »Die Franzosen und ihre Feiern. Ich bin so froh, dass ich die Kostüme rechtzeitig fertigbekommen habe.« Esther nahm ihren Becher und trank einen Schluck heißen Würzweines. Sie sah besser aus als in den letzten Tagen, hatte endlich einmal wieder eine Nacht durchgeschlafen und nicht immer nur über den Näharbeiten gesessen. Der Kommandant, der die Kostüme bei ihr bestellt hatte, war sehr zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen. Er hatte sie gefragt, ob sie weitere Aufträge annehmen würde, und ihr, nachdem sie zugestimmt hatte, am nächsten Tag seine Flickwäsche geschickt. Er zahlte gut, und Esther erhoffte sich weitere Aufträge.
    »Wie werden sie sich verkleiden?«, fragte Margit Kroes.
    »Schäfer und Schäferinnen.« Esther lachte, aber es klang nicht belustigt. »Einige der Männer wollten Kleider haben – mit Hauben und Schürzen. Sie haben sich auch Stöcke anfertigen lassen und finden sich wahrscheinlich sehr lustig.« Esther verzog angewidert das Gesicht. »Die Männer verkleiden sich als Frauen. Ich kann nicht darüber lachen.«
    »Dann können sie sich wenigstens gegenseitig nachstellen.« Margit seufzte, nahm ihren Becher und leerte ihn. »Unser Quartiergast stellt meiner Magd nach. Ich weiß gar nicht, wie ich sie schützen soll.«
    »Ach?« Anna hob den Kopf. »Unsere Köchin kokettiert mit dem Docteur. Sie scheint Spaß daran zu haben. Ich habees ihr untersagt, aber ich kann sie ja nicht bewachen.

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