Seidenmagd
suchte verzweifelt nach einer guten Ausrede.
»Oh, du hast die Nachttöpfe entleert?« Ohne weiter nachzufragen, drehte Esther sich um.
»Ich habe mich umgezogen«, murmelte Catharina.
»Dann pass bloß auf, dass du das gute Kleid nicht beschmutzt.«
Als endlich der Knecht der von der Leyen kam, um sie abzuholen, war Catharina sehr nervös. Zweimal war sie in die Dachstube gestiegen und hatte sich in der Spiegelscherbe begutachtet.Es gab nichts zu bemängeln, sie sah aus wie immer, vielleicht ein wenig bleicher. Doch das würde vermutlich nur ihrer Mutter auffallen.
Das Haus der von der Leyen wirkte wie ein geschäftiger Bienenstock. In der Küche wurde Gemüse geputzt, Fleisch gebraten und gekocht, Geflügel zerlegt oder gefüllt, Früchte wurden kandiert, Brot und Küchlein gebacken.
Die Mägde liefen emsig vom Vorderhaus zu den Hauswirtschaftsräumen und zurück, trugen Wein, Bier, Speisen und Süßigkeiten auf und leeres Geschirr zurück.
In der Spülküche waren zusätzliche Hilfskräfte an der Arbeit, der Knecht schleppte Holz und Kohlen heran. Obwohl die Küche von Dampfschwaden durchzogen war, überwachte Mamsell Luise gelassen das Geschehen.
»Mon dieu.« Esther schüttelte den Kopf. »Wer soll sich denn hier noch zurechtfinden?«
»Ach!« Mamsell Luise winkte ab. »Das ist doch gar nichts. Am Wochenende, wenn es das große Fest gibt, wird es beschwerlich. Aber auch das ist nichts dagegen, wenn die Herrschaften hochgestellten Besuch haben. Dann ist es hier wie im Tollhaus.«
Auch im Salon, in den Nele die beiden Frauen führte, herrschte allgemeiner Trubel. Die Schiebetüren zu dem zweiten Raum waren aufgeschoben worden, im Erker spielte ein Musiker auf dem Cembalo, begleitet von einem Flötisten, lustige Weisen. Die Tische waren beiseite geräumt worden und standen nun an der Wand. Sie bogen sich unter Platten und Schüsseln, gefüllt mit allerlei Speisen. Ein Diener kredenzte Wein und Bier. Tabakqualm erfüllte die Luft.
Catharina sah sich verstohlen um, konnte aber Friedrichvon der Leyen auf den ersten Blick nicht entdecken. Und schon bald hatte sie keine Zeit mehr, sich umzuschauen.
Esther begann, die Kostüme zu inspizieren, steckte hier eine Naht ab, markierte dort etwas mit Schneiderkreide.
»Lass die Naht aus, es ist reichlich da«, wies sie Catharina an. »Danach kannst bei diesem Kostüm Abnäher machen, ich habe dir die Stellen gekennzeichnet.«
Ohne Unterlass nähten und änderten sie. Die Franzosen mussten immer wieder die Gewänder anprobieren, was unter großem Hallo und Gelächter geschah.
Nur kurz hatte sich Madame von der Leyen blicken lassen, hatte die Dienerschaft angewiesen, weitere Getränke und Essen zu servieren, und sich dann wieder zurückgezogen.
Die eine Hälfte der französischen Offiziere verkleidete sich als Schäferinnen. Mit viel Gejohle stopften sie die entsprechenden Partien der Kostüme mit Wolle aus. Manch unflätige Bemerkung tönte durch den Raum, und immer wieder musste Catharina verschämt den Kopf senken. Sie schaute zu ihrer Mutter, doch diese inspizierte stoisch die Kleider, ließ sich auf kein Gespräch ein, nickte nur manchmal und lächelte.
Zwei der Kostüme mussten sie mit nach Hause nehmen, weil die Änderungen größer ausfielen als gedacht.
Es war schon lange dunkel draußen, als Esther ihr Nähzeug zurück in den Korb packte.
»Komm, Kind«, sagte sie leise zu Catharina. »Der Alkohol steigt ihnen nun endgültig zu Kopf.«
So unauffällig wie möglich gingen die beiden Frauen zur Tür, doch im letzten Moment fasste einer der Offiziere Catharina am Arm und zog sie zurück in den Raum.
»Doucement, Mademoiselle.« Er lachte spitzbübisch. »Vous êtes une ravissante pigeonneau!«
Er zog sie enger zu sich, sein Atem roch streng nach Branntwein und Tabak.
Catharina zwang sich zu lächeln, versuchte dem Griff des Mannes zu entkommen. Entsetzt spürte sie seine Hand auf ihrem Hintern.
»Monsieur ... s’il vous plaît ... ich bin doch nur die Näherin ...«
»Oh, bien, bien.« Er zog sie noch enger an sich. Hilfesuchend sah sich Catharina nach ihrer Mutter um, doch diese war schon in die Diele gegangen und hatte Catharinas Dilemma nicht mitbekommen.
»Pardon, Monsieur!« Frieder von der Leyen stand plötzlich neben ihnen und lächelte den Franzosen freundlich an. »Ich glaube, Ihr mögt noch einen Branntwein. Bitte nehmt Euch, der Diener hat gerade neue Flaschen aus dem Keller geholt.« Er legte seine Hand auf den Arm des Offiziers und
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