Seidenmagd
stecht Euch nicht an der Nadel, sie steckt im Stoff.«
»Das sieht wunderbar aus, viel besser als vorher.«
»Merci.« Catharina zögerte. Sollte sie ihn fragen, wozu dies alles diente, oder war das unschicklich? Zwei Strömungen schienen durch ihren Körper zu fließen – zum einen genoss sie seine Gegenwart, seine freundliche und weltmännische Art. Sie mochte sein Lächeln und den Klang seiner Stimme. Aber dann fühlte sie sich wiederum unbehaglich, einfältig und unsicher. Was gab es, worüber sie sich mit ihm hätte, unterhalten können? Der Krieg war zwar allgegenwärtig, doch die Politik hatte sie nicht verfolgt.
Sie war nicht dumm, las auch die Zeitung, wann immer es ihre Zeit und Muße zuließen – aber das war nicht oft der Fall. Meist war sie froh, wenn sie ein paar Seiten aus den Büchern lesen konnte, die ihnen Abraham ter Meer lieh.
»Könnt Ihr auch Knöpfe annähen?«, fragte Frieder.
»Naturellement!« Catharina sah ihn belustigt an.
»Und stopfen? Risse vernähen? Kleidung dämpfen und bügeln?«
»Aber natürlich.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte er, reichte ihr das Hemd und ging zurück zu dem Sessel am Kamin.
Verwundert schaute Catharina ihm hinterher. Was hatte das alles zu bedeuten?
Sie hörte Stimmengemurmel aus der Küche, das Blut stieg ihr in die Wangen, als sie an die Unordnung dachte, die dort vermutlich noch herrschte. Sie nahm das Hemd wieder zur Hand und setzte die letzten feinen Stiche. Würde ihre Mutter sehr erbost sein?
Doch als Esther wieder in die Stube kam, lächelte sie.
»Bist du fertig?«, fragte sie Catharina und nahm ihr das Hemd ab. Sie inspizierte die Nähte und den Sitz des Stegs genau, nickte dann zufrieden. »Das hast du gut gemacht.« Sie hielt von der Leyen das Kleidungsstück hin. »Seht selbst, ich habe nicht zuviel versprochen.«
»Ich habe es mir schon angesehen. Es entspricht meiner Erwartung.« Er stand auf und nahm seinen Mantel, der über der Sessellehne hing. »Habt Dank für den vorzüglichen Wein, Madame te Kamp.«
Sie tauschten noch einige höfliche Floskeln, dann verabschiedete sich Monsieur von der Leyen. Auch Catharina reichte er die Hand, lächelte sie an. »Bis bald, Mademoiselle.«
»Au revoir«, sagte sie leise. Was mochte er mit »bis bald« nur meinen?
»So, jetzt aber in die Küche!«, sagte Esther, sobald sich die Tür hinter von der Leyen geschlossen hatte. »Du hast ja einen schönen Schweinestall veranstaltet.« Ihr Tonfall war nicht mehr freundlich und verständnisvoll.
»Was sollte das Ganze denn?«, wollte Catharina wissen, doch ihre Mutter antwortete nicht.
Esther ging zurück in die Stube, schloss die Tür hinter sich.
Na gut, dachte Catharina, seufzte und wandte sich zur Küche. Ein köstlicher Duft schlug ihr entgegen. Henrike hatte sich die Schürze umgebunden und die Ärmel hochgekrempelt. Mit dem Quirl schlug sie emsig einen Teig in einer flachen Schale. Auf dem Herd stand die große Eisenpfanne, in der Schmalz brutzelte. Pikante Aromen durchzogen die Küche, als Elisabeth den großen Topf umrührte.
»Mach ich das richtig so?«, fragte sie. Ihre Augen strahlten, und ihre Wangen glühten vor Aufregung.
Mette saß auf der Bank und schnitt den Spinat klein. Sie schien völlig in die Tätigkeit aufzugehen.
Verwundert ließ Catharina den Blick durch den Raum wandern – so eifrig und gelöst hatte sie die Kinder lange nicht mehr erlebt. Allerdings herrschte immer noch arge Unordnung in der Küche – der Tisch war nicht abgewischt, der Badezuber nicht weggeräumt worden.
Sie zog den Zuber in die Abstellkammer, das Wasser war noch lauwarm, also weichte sie ihr Kleid darin ein. Später würde sie es auswaschen müssen. Dann wischte sie die Mehlreste vom Tisch, putzte den immer noch feuchten Boden.
»Du kochst?«, fragte sie Henrike.
»Da du es nicht getan hast«, antwortete ihre Schwester.
»Ich ... ich konnte nicht.« Catharina fuhr das Blut in die Wangen.
»Ist schon gut. Wunderbar, dass du Guten Heinrich und Giersch mitgebracht hast. Der Lauch – ist der noch vom letzten Jahr?«
»Ja, er wuchs unter der Johannisbeere, Laub und Schnee scheinen ihn geschützt zu haben.«
»Damit können wir ein formidables Mahl bereiten.« Henrike lachte. »Auch wenn wir nicht so viele Gewürze haben wie die Flohs.«
»Was machst du denn da genau?« Catharina schaute der Schwester neugierig über die Schulter.
»Ich mache ein Omelett mit frischen Kräutern und jungem Gemüse. Dazu gibt es eine Buchweizengrütze mit
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