Seidenmagd
heiraten, Kinder bekommen, Kinder begraben, vielleicht bei den Geburten zu sterben oder den Mann zu Grabe zu tragen.«
»Aber das ist das Schicksal fast aller Frauen. Und nur Gott weiß, welchen schweren Weg man gehen muss.«
»Gott hat für dich offensichtlich einen anderen Weg bestimmt.«
Nein, dachte Catharina entrüstet, du hast für mich einen anderen Weg bestimmt, nicht Gott. Und du hast diesen Weg für mich ausgesucht, weil er dir zugutekommt.
»Rike möchte Beiköchin werden. Für sie wäre es eine ebensolche Chance wie für mich.«
»Ich kann den Haushalt nicht alleine führen, mich um Wäsche und Küche, den Garten und alles kümmern und gleichzeitig noch nähen und somit unseren Lebensunterhalt verdienen.«
»Dann lass mich das weiterhin machen, und Rike darf die Stellung bei den Flohs annehmen.«
»Nein.« Esthers Ton war kategorisch und entschlossen.
»Aber warum denn nicht?«, fragte Catharina verzweifelt. »Warum kann es nicht wenigstens ein bisschen nach unseren Wünschen gehen?«
»Ich habe es jetzt nun so mit Monsieur von der Leyen abgemacht und werde nicht weiter darüber diskutieren.« Sie stand auf, nickte ihrer Tochter zu und ging.
Catharina lauschte den leiser werdenden Schritten auf der Treppe, lehnte sich dann zurück und stieß wütend die Luft aus. Sie war verkauft, und Henrikes Träume waren zerschlagen worden. Mit einem Streich. Es gab nichts, was sie tun konnte, um das zu ändern.
Sie überlegte. Wenn ich zu den von der Leyen gehe und es Monsieur erkläre, vielleicht hat er ja Erbarmen und zieht sein Angebot zurück? Dann könnte Henrike Beiköchin werden.
Was aber, wenn er sich nicht darauf einließ? Er wüsste dann, dass ich nur widerwillig die Stellung annehmen würde. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er schlecht über mich denkt. Und wie wird das werden? Furcht kroch in ihr hoch. Noch eine Weile saß sie vor dem Kamin, dann ging sie zu Bett. Henrike hatte sich in den Schlaf geweint, das nasse Schnupftuch lag zusammengeknüllt auf dem Kissen. Hin und wieder seufzte sie im Traum herzzerreißend auf. Catharina zog sich langsam aus und legte sich neben ihre Schwester. Nur noch wenige Nächte blieben ihr in diesem Bett, in diesem Haus, im Schutz der Familie. Sie hatte noch nie woanders geschlafen als hier und konnte es sich nicht vorstellen. Ihr Herz hämmerte, und der Magen schmerzte. Als sie endlich einschlief, träumte sie von bedrohlichen Dingen, seltsamen Räumen und großen Kutschen.
Am nächsten Morgen ging Henrike mit rot verweinten Augen und verquollenem Gesicht zu den Flohs. Gegen Mittag kehrte sie zurück, zog den Mantel und die Stiefel aus, stieg die Treppe hoch und verschwand in der Schlafkammer der Mädchen.
»Ist da jemand gekommen?«, fragte Esther.
Während ihre Mutter sich nach dem morgendlichen Mahl in die Stube zurückgezogen hatte, verrichtete Catharina wiejeden Tag den Haushalt. Sie musste ihr Kleid, das sie gestern nur eingeweicht hatte, auswaschen und außerdem die jungen Zwiebeln und den Spinat, den sie gestern nicht gebraucht hatten, verarbeiten. Auch die ersten Kräuter im Hofgarten konnten geerntet werden. Der Frühjahrsputz stand an, und eigentlich mussten sie die Garderoben der Kinder prüfen und sortieren. Manches würde nicht mehr passen, und einige Kleidungsstücke hatten alle vier Schwestern nacheinander aufgetragen – da half auch ein Wenden oder Nahtauslassen nichts mehr.
Das ist alles nicht mehr meine Sache, dachte Catharina und seufzte.
»Die Tür ist doch gegangen, wer ist denn da gekommen?«, rief ihre Mutter wieder aus der Stube.
»Ja, Rike ist gekommen.«
»Was?« Esther stand plötzlich in der Tür zur Küche. »Was macht sie denn hier?«
»Ich nehme an, sie hat die Stelle bei den Flohs abgesagt.« Catharina biss sich auf die Lippe, um nicht noch mehr zu sagen.
»Aber du gehst doch erst in einer Woche zu den von der Leyen, solange hätte sie doch noch arbeiten können. Jetzt fehlt uns das Geld für diese Woche.« Esther klang erbost.
Catharina verschlug es die Sprache.
»Nun gut, es ist vermutlich nicht mehr zu ändern. Dann kann sie die Zeit ja nutzen, sich hier ordentlich einzuarbeiten.« Esther verließ die Küche wieder, im Flur drehte sie sich noch einmal um. »Wann ist das Essen bereit? Du müsstest einen weiteren Kessel Wasser aufsetzen, schließlich müssen wir deine Wäsche gründlich durchwaschen, bevor du packst.«
»Ich dachte, ich mache heute nur die angefallene Wäsche und meine Sachen im Laufe der
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