Seidenmagd
an.
»Meinen ...?« Catharina schüttelte den Kopf, befolgte aber die Weisung. Ihren Korb hatte sie ordentlich in das Regal neben dem Tisch eingeräumt. Nun nahm sie ihn zur Hand, ging zurück zum Kamin.
»Nimm dieses Hemd und näh den Kragen um.« Esther griff in den Korb, der neben ihr stand, und gab Catharina ein Männerhemd.
»Jetzt?«
»Ja. Du kannst dich da vorne an den Tisch setzen.«
Verwirrt setzte sich Catharina an den Tisch und nahm das Hemd zur Hand. Der Kragen war ausgefranst und abgestoßen. Vorsichtig trennte sie den Kragen vom Hemd, öffnetedie Naht. Der Steg war an das Stoffstück mit wenigen Stichen fest gesteppt worden. Mit geschickten Bewegungen löste sie die Fäden.
Warum soll ich das hier machen? fragte sie sich und warf einen verstohlenen Blick zum Kamin. Frieder von der Leyen lehnte sich entspannt in dem Polstersessel zurück und spielte mit dem Glas, das Esther ihm gereicht hatte. Sie unterhielten sich leise, aber durchaus lebhaft. Wie seltsam, dachte Catharina, Mutter macht einen ausgeglichenen, einen fast schon heiteren Eindruck. Worüber reden sie denn? Catharina versuchte zu lauschen und gleichzeitig die ihr aufgetragene Arbeit zu verrichten.
»Doch, doch, Madame, ich habe durchaus Hoffnung, dass dieser Krieg bald friedlich beendet werden kann«, sagte Frieder freundlich.
»Aber worauf stützt sich die Hoffnung? In der letzten Zeit waren die preußischen Truppen nicht besonders erfolgreich.«
»Das ist richtig. Es gibt wieder Niederlagen, aber auch durchaus einige Erfolge. Die französische Zeitung aus Köln berichtete letzte Woche, dass wieder Verhandlungen aufgenommen wurden. Und auch die Offiziere, die bei uns im Quartier sind, glauben daran, dass der Frieden bevorsteht.«
Sie reden über den Krieg, immer nur über den Krieg, Catharina seufzte leise. Was hat der Krieg damit zu tun, dass ich einen Kragen umnähen soll? Sie nahm einen weiteren Faden und fädelte ihn in das winzige Nadelöhr. Ihre Finger zitterten, und sie holte einmal tief Luft.
Die Grütze ist angebrannt, und auch sonst habe ich noch nichts zu Essen vorbereitet. Mutter wird erbost sein. Und wie erkläre ich ihr, dass ich mitten in der Woche gebadet habe? Hoffentlich räumen die Mädchen ein bisschen auf und machensauber. Vielleicht sollte ich eben in die Küche gehen und sie bitten, wenigstens das Brot zu backen.
Wieder schaute Catharina zu ihrer Mutter und den Gast. Immer noch unterhielten die beiden sich angeregt.
Wenn ich einfach aufstehe, dachte Catharina, und schnell in die Küche schlüpfe? Aber nein, Mutter hat mir einen Auftrag gegeben, den ich zu erfüllen habe.
Die Dämmerung setzte ein. Esther zündete die Kerzen an, stellte eine neben Catharina auf den Tisch. Sie sah über die Schulter ihrer Tochter auf den Kragen. Mit feinen Stichen nähte Catharina die drei Stoffstücke wieder aneinander. Die linke Stoffseite war weder ausgefranst noch abgestoßen – nur ein wenig vergilbt, aber das konnte man ausbleichen. Es war ein kleiner Trick, um einem ansonsten noch guten Hemd zu neuem Ansehen zu verhelfen. Allerdings musste man sehr sorgfältig arbeiten und zierliche, fast unsichtbare Stiche setzen.
Esther nickte kurz, setzte sich wieder an den Kamin und schenkte Monsieur und sich noch einmal nach. Der Wein funkelte in den Gläsern, als wäre es flüssiger Rubin.
Catharina biss sich auf die Lippe, als sie die Haustüre zufallen und danach Schritte im Flur hörte.
»Bonsoir!«, rief Henrike fröhlich.
»Das ist Rike, meine Zweitälteste«, sagte Esther und stand auf. Sie klang, als wäre es ihr peinlich. »Wie weit bist du denn, Käthe?«
»Fast fertig.« Catharina verzog das Gesicht. Ihr war immer noch nicht klar, wozu diese Vorstellung dienen sollte, und so langsam verlor sie die Geduld. Henrike war bestimmt hungrig, und noch hatte Catharina keine Zeit gefunden, das Essen zu bereiten.
»Nun, ich werde mal meine Tochter begrüßen«, sagte Esther und verließ die Stube.
Für einen Moment füllte Schweigen, so dicht wie schwerer Nebel, den Raum. Es war ein unbehagliches Schweigen, eine seltsame Stille, die nur vom Knistern des Feuers unterbrochen wurde. Dann stand Frieder von der Leyen auf.
»Darf ich mal sehen?«, fragte er und trat zu Catharina.
Es fehlte nicht mehr viel – der Kragen war auf links gedreht, der Steg angesteppt und die Nähte neu gesetzt, den größten Teil des Stückes hatte sie auch schon wieder an das Hemd genäht – nur ein kleiner Saum fehlte noch.
»Hier bitte, aber
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