Seidenmagd
allein in einer fremden Stadt, du weißt doch, welches Schicksal dir dann droht.«
Henrike seufzte und putzte sich die Nase.
»Versprich mir, dass du keine Dummheiten machst. Du musst es mir versprechen«, sagte Catharina eindringlich. »Ich werde mich an Madame wenden, vielleicht kann sie ein gutes Wort für dich einlegen.«
»Merci.« Henrike küsste ihre Schwester auf die Wange, drehte sich um und lief nach Hause.
Catharina wurde bewusst, dass ihre Schwester kein Versprechen gegeben hatte.
Noch saßen die Lobach und Monsieur ter Meer bei Esther in der Stube und ließen den Tag bei einer Pfeife und einem Krug Wein ausklingen. Als Catharina am Haus der ter Meers vorbeikam, beschloss sie, kurz nach ihrer Freundin zu sehen.
Eine mürrische Magd öffnete ihr die Tür. »Madame fühlt sich nicht«, sagte sie knapp.
»Liegt sie danieder?« Catharina hatte gedacht, dass Anna sich nur schonen wollte.
»Nein, sie sitzt in der Stube.«
Bevor Elise die Tür vor Catharinas Nase schließen konnte, schlängelte sich Catharina an ihr vorbei in den Flur. Ohne zu zögern, klopfte sie an der Tür zum Wohnzimmer.
»Ja?«
»Bonsoir, Madame. Störe ich?«
»Catharina, welche willkommene Überraschung! Kommt nur herein!« Anna saß, trotz der Wärme, in eine Decke gehüllt am Kamin, in dem ein kleines Feuer knisterte.
»Monsieur sagte, dass Ihr Euch nicht wohlfühlt.«
»Ich bin schwach. Dies Kind kostet mich viel Kraft.« Anna legte die Hand auf ihren Bauch. »Doch es bewegt sich lebhaft, und ihm scheint es gut zu gehen.« Sie lächelte. »Und wie ergeht es Euch?«
Catharina berichtete ein wenig von den letzten Tagen.
»Aber das ist es nicht, was Euch zu mir führt?« Anna lächelte wissend.
»Nein. Ich sorge mich um meine Schwester.« Sie schüttete ihrer Freundin das Herz aus.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Henrike so unvernünftig sein würde wegzulaufen.« Anna teilte jedoch Catharinas Entsetzen. »Ich werde mit ihr reden.«
»Nein, das dürft Ihr nicht tun«, flehte Catharina sie an. »Dann wäre offenbar, dass ich ihr Vertrauen missbraucht habe. Sie hat es mir anvertraut, und nur in meiner Not bin ich zu Euch gegangen.«
»Ihr habt recht.« Nachdenklich schaute Anna aus demFenster. »Aber vielleicht«, sagte sie nach einer Weile des Schweigens, »können Madame Floh und Madame von der Leyen Einfluss auf Eure Mutter nehmen?«
»Ich hoffe es sehr«, sagte Catharina leise.
»Mein Mann und ich sind schon länger der Ansicht, dass Eure Mutter eine Magd einstellen sollte. Die Hausarbeit ist zu viel für einen alleine. Deine Schwester krankt auch an der vielen Arbeit.«
»Mutter scheint das anders zu sehen.«
»Ich weiß, deshalb werde ich versuchen, zumindest darüber mit ihr zu sprechen. Eine entfernte Cousine von Abraham sucht eine Stellung. Es ist ein schlichtes, aber fleißiges Mädchen.«
Ein wenig beruhigt verließ Catharina das Haus der ter Meers und machte sich auf den Heimweg zu ihrer Arbeitsstätte.
Kapitel 15
Am nächsten Tag war es hektischer als gewöhnlich. Monsieur Frieder von der Leyen hatte seine Rückkehr angekündigt. Seine Gemächer im Seitenflügel des Hauses wurden gelüftet, die Teppiche ausgeschlagen und die Böden geschrubbt. Frisches Leinen wurde aufgezogen, und die Fenster wurden geputzt.
Auch in der Küche bereitete man sich vor. Mamsell Luise schickte Nele auf den Markt und zum Schlachter.
»Besorg Nierchen. Die mag er besonders sauer eingelegt. Und Kalbsbäckchen.«
Mamsell besah ihre Vorräte, murmelte vor sich hin. DieUnruhe übertrug sich auch auf Catharina. Voller Erwartung blickte sie der Ankunft ihres Herrn entgegen. Was würde sich für sie ändern? Und würde er sie auf seine nächste Reise auch mitnehmen? Welche Aufgaben hatte er ihr zugedacht? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es genügend Flickwerk gab, um sie den ganzen Tag zu beschäftigen.
Mamsell trug ihr auf, Eier zu trennen, doch schon das erste Ei fiel ihr zu Boden und zerplatzte.
»Mon dieu! Was ist denn mit dir los, Käthe?«, fragte Luise sie verwundert. »So kenne ich dich gar nicht.«
»Pardon.« Catharina senkte den Kopf. »Ich bin ein wenig ... aufgeregt ...«
»Weil Monsieur zurückkommt?« Luise lachte. »Mach dir keinen Kopf. Er ist ein angenehmer Herr, wenn er das kriegt, was er will.«
Doch gerade das machte ihr zu schaffen, da sie nicht wusste, was er wollte.
Er wird es dir schon sagen, dachte sie. Er wird wissen, dass du keine Gedanken lesen kannst.
Erst am späten Abend traf
Weitere Kostenlose Bücher