Seidenmagd
die Kutsche ein. Das Niedertor musste für sie geöffnet werden, was zu einigen Diskussionen führte. Doch von der Leyen hatte einen Passierschein, ausgestellt vom Prinzen von Soubise, bei sich und durfte passieren. Laut klapperten die Hufe in der nächtlichen Stille auf dem Kopfsteinpflaster.
Jakob hatte Fackeln entzündet, die den Hof beleuchteten.
Catharina und Trude standen an dem Mansardenfenster ihres Zimmers und beobachteten das Treiben.
»Kennst du ihn?«, wollte Trude wissen.
»Ich habe ihn ein paar Mal gesprochen.« Catharina beugte sich weiter vor.
»Oh, wirklich? Er hat das Wort an dich gerichtet?«
»Ja, warum auch nicht?«
»Weil ... nun, ich glaube nicht, dass er mit mir sprechen würde. Auch Madame spricht nicht mit mir. Ob das daran liegt, dass ich nicht euren Glaubens bin?«
Catharina drehte zu ihr um, betrachtete sie nachdenklich. »Meinst du wirklich, sie unterscheiden da? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Aber wenn ich es dir doch sage, an mich hat bisher noch niemand von der Herrschaft ein Wort gerichtet.«
»Vielleicht, weil es einfach nichts zu sagen gab? Madame hätte sicher auch nicht mit mir gesprochen, wenn ich ihr nicht das Kleid nähen sollte.«
Trude senkte den Kopf. »Nein, ich glaube, es liegt daran, dass ich aus einer armen Familie komme.«
Catharina nahm sie in den Arm. »Wir sind auch arm, Trude. Macht dir nichts draus.«
In diesem Moment wurde der Lärm auf der Straße größer, und dann fuhr die Kutsche mit Getöse durch die Toreinfahrt in den Hof. Die beiden Mädchen eilten zurück an das Fenster.
»Da, das muss er sein«, sagte Trude und zeigte auf den Mann, der der Kutsche entstieg. »Ich habe ihn aber nur einmal gesehen.«
»Das ist er nicht.« Catharinas Herz klopfte. »Aber jetzt steigt er aus.«
Frieder von der Leyen streckte sich und schaute sich um. Catharina zog sich vom Fenster zurück. Was würde er von ihr denken, wenn er seinen Blick nach oben richtete und sie dort neugierig am Fenster stehen sah?
Sie strich die Schürze glatt, fuhr mit den Händen über ihreHaube, warf einen kurzen Blick in den kleinen Spiegel, der über der Kommode hing.
»Meinst du, er ruft dich heute Abend noch zu sich?« Trude musterte sie.
»Ich weiß es nicht. Mamsell hat uns entlassen und zu Bett geschickt.«
Obwohl sie noch zwei Stunden wartete, kam niemand die Treppe zum Hinterhaus hinauf, um sie zu rufen. Schließlich, als sich der Lärm und die Aufregung in der unteren Etage legte, nach und nach die anderen Bediensteten die Treppe hochkamen und in ihren Zimmern verschwanden, begab sich auch Catharina zu Bett. Trude schlief schon längst, atmete durch den geöffneten Mund und murmelte leise im Schlaf.
Am nächsten Morgen legte Catharina noch mehr Wert auf ihr Aussehen als sonst. Flink, aber gründlich wusch sie sich und zog sich sorgfältig an. Die Haare waren hochgesteckt, keine Strähne zeigte sich vorwitzig. Die Haube und die Schürze saßen und waren makellos rein.
Sie kam als eine der Ersten nach unten. Nur Jakob war schon auf und brachte Holz und Kohlen, während Nele den Brotteig knetete.
»Hast du schlecht geschlafen? Du bist so blass«, sagte sie zu Catharina. »Komm, nimm dir einen Becher Würzwein, das belebt die Lebensgeister.«
Zögerlich trank Catharina den Wein, doch sie musste feststellen, dass Nele recht hatte. Schon bald fühlte sie sich nicht mehr so zitterig.
»Was kann ich tun?« Catharina schaute sich um.
»Die Herrschaften haben gestern Abend lange zusammengesessenund getafelt. Sie werden sicher erst spät aufstehen. Wir können in aller Ruhe alles zubereiten.« Nele grinste. »Es ist auch ordentlich Wein geflossen.« Sie zeigte auf einen Korb mit leeren Flaschen, der an der Tür stand.
»Kann ich dir helfen?«
Nele fand schnell ein paar Aufgaben für Catharina, und so verging die Zeit wie im Fluge. Tatsächlich standen die Herrschaften erst auf, als die Sonne hoch am Himmel stand. Jakob füllte den großen Kessel in der Waschküche und erhitzte Wasser.
»Der junge Monsieur wünscht ein Bad«, erklärte Mamsell. »Er will sich den Reisestaub von der Haut waschen.«
»Monsieurs Wäsche muss auch gewaschen werden«, sagte ein Mann, den Catharina noch nie zuvor gesehen hatte. Er trug einen großen Korb in die Küche und stellte ihn auf den Tisch. »Ich bin Gerald«, stellte er sich Catharina vor. »Und Ihr müsst Catharina te Kamp sein.«
»Oui«, antwortete sie.
»Ich bin Monsieurs Kammerdiener.« Er grinste breit.
»Oh!«
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