Seidenmagd
nach den Büchern, die sie gelesen hatte.
»Kennt Ihr Shakespeare?«
»Ich verstehe nur wenig Englisch.« Catharina schüttelte den Kopf. »Lesen kann ich Latein, natürlich, das hat man uns in der Schule beigebracht.«
Die Mennoniten hatten einen Schulmeister für ihre Kinder angestellt, der Lesen und Schreiben, die Grundlagen der Mathematik und einige Dinge mehr unterrichtete. Auch Mädchen hatten die Schule zu besuchen. Viele religiöse Texte gab es nur in Latein, deshalb lernten sie die Sprache. Französisch hingegen war die Handelssprache, und deshalb wurde es auch gelehrt.
»Was ist mit Musik? Interessiert Ihr Euch auch für Musik? Ich habe in Braunschweig gerade ein Oratorium von Händel gehört. Es war fantastisch.« Frieder hob begeistert die Hände. »Diese Klänge – so wunderbar. Spielt Ihr ein Instrument?«
»Pardon?« Catharina sah ihn ungläubig an. »Nein, natürlich nicht.«
»Warum natürlich? Was hält Euch davon ab? Mögt Ihr keine Musik?«
»Ich habe zwei Kantaten in der Alten Kirche gehört vor einiger Zeit. Ich habe vor der Tür gestanden und gelauscht. Aber meine Mutter würde mir nie erlauben, solch prunkvolle Musik anzuhören. Schon gar kein Oratorium. Das ist nicht gottgefällig.«
»Warum sollte Gott diese wunderbare Musik nicht gefallen?«
»Der Prediger und die Gemeindeältesten sagen, dass Musik nur auf bestimmte Art und Weise der Verehrung Gottes dient. Oratorien sind nicht schlicht, im Gegenteil, sie dienen nicht der Anpreisung Gottes, sondern ihrem Selbstzweck und der Unterhaltung. Deshalb sind sie nicht angemessen.«
»Nun, mir scheint, Ihr habt noch keine wunderbare Musik erlebt, nichts, was die Seele berührt. Aber das wird sich ändern.«
»Verzeiht mir«, sagte Catharina leise. »Ich kann Euch nicht folgen.« Sie hob den Kopf und schaute nach draußen. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, und Jakob zündete die Laternen an, die vor dem Haus angebracht waren. Die Franzosen hatten darauf bestanden, dass die Bürger Laternen unterhielten, um Verbrechen entgegenzuwirken. Für viele Bürger bedeutete das enorme Kosten und zudem die Mühe, die Laternen zu unterhalten.
Auch Frieder wurde bewusst, wie spät es inzwischen war. »Verzeiht mir«, sagte er und klang plötzlich verzagt. »ich habe Euch unnötig aufgehalten.«
»Nun, Monsieur, Ihr habt mich aufgehalten?« Erstaunt schüttelte sie den Kopf. »Ich bin Eure Magd, Euer Kammermädchen. Ihr könnt über mich und meine Zeit verfügen. Ihr habt mich hierher bringen lassen, und ja, ich dachte, dass Ihr Anweisungen für mich habt und nicht, dass wir uns über Bücher und Musik unterhalten. Aber letztendlich entscheidet Ihr, womit ich meine Zeit verbringe.« Sie biss sich auf die Lippe. War sie wieder zu forsch gewesen?
Frieder von der Leyen riss die Augen auf, dann lachte er laut. »Aber natürlich. Ich vergaß. Mein Kammermädchen.«
Plötzlich stieg Wut in Catharina hoch, wie eine Welle, fast nicht zu bezwingen. Sie stand auf, strich die Schürze glatt. »Welche Aufgaben habt Ihr für mich, Monsieur? Eure Wäsche habe ich heute gewaschen. Sobald alles trocken ist, werde ich die Schäden beheben und die Wäsche plätten. Was kann ich noch für Euch tun?«
Er sah sie schweigend an. Sein Gesicht wurde ernst. »Setzt Euch«, sagte er schließlich. »Seid so gut, und nehmt wieder Platz.«
»Mein Name ist Catharina. Man nennt mich Käthe. Eure Tante duzt mich, ganz selbstverständlich, da ich zum Personal gehöre, Monsieur.«
»Käthe?« Er grinste amüsiert. »Käthe gefällt mir. Darf ich Euch so nennen?«
»Wie es Euch beliebt.« Catharina schmeckte das Blut, als sie sich auf die Innenseite der Wange biss.
»Ihr seid wütend. Ihr seid tatsächlich wütend auf mich. Nun seid doch nicht so, ich will Euch wirklich nichts Böses.«
»Monsieur, ich bin nicht wütend«, log sie und versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich bin nur verunsichert.Ihr habt mich in den Dienst genommen, damit ich Eure Wäsche in Stand halte. Das werde ich tun. Ich kann das, das wisst Ihr, Ihr habt es überprüft.« Sie holte tief Luft und setzte sich wieder auf die Kante des Sessels.
»Nun denn. Ja, ich habe Euch«, er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, »in den Dienst genommen, weil ich jemanden brauche, der sich um meine Kleidung kümmert. Wie Ihr seht, hat sie in den letzten Wochen sehr gelitten. Zu reisen ist nicht immer angenehm in Kriegszeiten.« Er stand auf und ging zu einem Schränkchen in der Ecke des Raumes,
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