Seidenmagd
vorsichtiges Licht war über den Baumwipfeln zu sehen. Catharina öffnete das kleine Fenster weit, lehnte sich hinaus und holte tief Luft. Es roch nach Buchen und Waldmeister, ein leichter Duft von Bärlauch lag auch in der Luft.
Aus der Küche drangen die typischen Geräusche des Morgens. Das satte Klatschen, wenn der Sauerteig geschlagenwurde, das Quietschen des Brunnenschlegels, das Plätschern von Wasser und das Knistern des ersten Feuers im Ofen. Immer noch war es ungewohnt für Catharina, nicht in die Küche eilen zu müssen. Doch schon bald, sagte sie sich, wird sich das wieder ändern. In Potsdam habe ich den Haushalt zu erledigen, das Brot zu backen und die Kleidung in Ordnung zu halten.
Sie erschrak, als es an der Zimmertüre klopfte.
»Madame, ich bringe heißes Wasser«, sagte ein Stimmchen. Catharina öffnete die Tür. Eine Magd stand vor ihr, kaum konnte sie den Krug mit dem Wasser halten. Doch als Catharina ihr das Gefäß abnehmen wollte, schüttelte das Mädchen den Kopf. Sie ging ins Zimmer und füllte die Waschschüssel, dann nahm sie den Nachttopf.
»Ich brauche den Krug noch«, sagte sie entschuldigend. »Ich muss auch noch den anderen Gästen Wasser bringen.«
Heißes Wasser, welch ein Luxus! Catharina wusch sich ausgiebig, nutzte die Gelegenheit, um ihr Leibchen auszuwaschen. Ein zweites hatte ihre Mutter ihr mitgegeben. Auch die Strümpfe hätte sie gerne gewaschen, doch die meisten ihrer Sachen waren in der Reisetruhe verstaut.
Ich sollte morgen daran denken, sagte sie sich, und abends die Strümpfe auswaschen, dann können sie über Nacht trocknen.
Zum Frühmahl gab es Grütze mit Speck. Diesmal war das Brot ganz frisch und heiß, so dass die salzige Butter schmolz und verlief. Catharina leckte sich die Finger ab, sah dann den Blick von Frieder von der Leyen und senkte beschämt den Kopf.
»Euch scheint es zu schmecken«, sagte er belustigt.
»Es ist köstlich.«
»Köstlich ist wahrlich übertrieben.«
»Nun, vielleicht liegt es daran, dass ich für gewöhnlich das Brot backen muss. Es hingestellt zu bekommen macht es zu etwas Besonderem.«
Frieder schaute sie nachdenklich an. »Da ist etwas dran. Ist es schwer, Brot zu backen?«
»Schwer? Nein. Man braucht nur Sauerteig.«
»Nun, ich habe keine Ahnung von diesen Dingen. Das Essen hier ist gut und schmackhaft, aber nicht außergewöhnlich.«
»Richtig. Es ist schlichtes Essen. Und das ist gottfürchtig.«
»Meint Ihr das wirklich? Es gibt so köstliche Sachen, die man essen kann – sie sind jedoch nicht schlicht. Gefällt das Gott weniger?«
Catharina wischte sich die Hände an einem Tuch ab, trank einen Schluck verdünntes Bier und dachte nach. »Essen bedeutet Nahrung. Ohne Nahrung können wir nicht leben. Aber ich habe bei Euch gesehen, dass manchmal sehr aufwendige Dinge zubereitet werden. Quartelbrüste zum Beispiel. Von den winzigen Hühnern werden nur die zarten Brüstchen serviert. Der Rest wurde den Hunden gegeben. Ich weiß nicht, ob das gottgefällig ist.«
»Aber man kann von den Tieren doch sonst nichts essen, da ist doch nichts mehr dran. Und Quarteln sind köstlich, wenn sie richtig zubereitet werden.«
»Oh, eine Wachtel kann man auch im Ganzen zubereiten. Auch meine Mutter macht das gelegentlich. Man kann sie mit Kräutern füllen, dann bekommt sie einen wunderbaren Geschmack, und man kann tatsächlich die Knochen abnagen – auch an den Schenkeln ist Fleisch, wenn auch nicht viel. Wenn wir Quarteln oder Wachteln haben, dann wirdalles verwertet, nichts den Hunden gegeben. Ich denke, Speise und Trank dienen auch dazu, Gott zu huldigen und zu danken. Man sollte es mit etwas Ehrfurcht tun.«
»So gläubig seid ihr also? Habt ihr jemals gebratenen Schwanenhals gegessen?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bin gläubig, Ihr nicht?«
»Doch, schon. Ich bin getauft worden und habe den Segen der Gemeinde empfangen.« Frieder runzelte die Stirn. »Und doch kann ich Eure Argumente nicht wirklich nachvollziehen.«
»Es hat etwas mit Eitelkeit zu tun. Schwein und Rind hat Gott geschaffen, damit wir von ihnen leben können. Aber Speisen extravagant zuzubereiten bedeutet auch, einem gewissen Genuss zu frönen. Und dann geht es nicht mehr nur darum, Nahrung aufzunehmen, sondern das Gericht wird zu etwas, was eitel ist. Süßer, fruchtiger, geschmackvoller ... das mag alles sehr lecker sein, aber es ist nicht gottfürchtig.«
»Ihr esst also lieber schlichte Grütze als einen guten Braten?« Er sah sie erstaunt an.
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