Seidenmagd
in einen Sack gesteckt und auf eine Schubkarre gebunden. Jetzt fahren sie mit ihm durch die Straßen und verhöhnen ihn.« Abraham verzog angewidert das Gesicht. »Diese Unmenschen.«
»Was hat er denn angestellt?« Sie gab Marijke die Schale mit den Küchenabfällen und schickte sie zum Schuppen, wo das Schwein gemästet wurde.
»Er soll schlecht über das Regiment gesprochen haben.« Abraham nahm den Hut ab und setzte sich auf die Küchenbank, rieb sich über die Stirn. »Unglaublich, was die machen.«
Noch immer hörte man das Gejohle und Gefeixe von der Straße.
»Kann man nicht einen der Verantwortlichen hinzuziehen?«
»Der Herzog von Aquitanien, der Oberst des Regiments, ist selbst dabei. Er hat Quartier bei den von der Leyen genommen.«
»Und er tut nichts?« Anna schüttelte den Kopf. Dann legte sie die Hand auf ihren Bauch und verzog das Gesicht.
»Was ist mit dir?«, fragte Abraham erschrocken.
»Ich weiß nicht.«
»Soll ich die Hebamme rufen?«
»Es ist viel zu früh.« Anna stützte sich auf den Tisch. Sie stöhnte auf.
»Leg dich hin, ich hole meine Mutter.« Abraham vergaß sogar seinen Hut, als er aus der Küche stürmte.
»Lise!«, rief Anna die Magd. »Wo bleibst du bloß?«
Die Magd hatte sich, obwohl der Tag schon angebrochen war, noch nicht blicken lassen. Dadurch, dass die Familie immer mal wieder Soldaten im Quartier hatte, hatte Elise ihre Kammer räumen und in ein Zimmerchen hinter der Küche ziehen müssen. Eigentlich war dies auch bequemer für das Mädchen, konnte sie doch so schnell das Feuer im Herd entfachen und Wasser aufsetzen und musste keine Stiegen steigen. Doch die Magd wurde immer unzuverlässiger. Sie versalzte die Suppe, ließ Brot und Speisen anbrennen, vergaß das Feuer und andere Dinge mehr. Krank war sie nicht, und Anna war noch nicht dahinter gekommen, was mit dem Mädchen los war.
Doch jetzt trieb ihr Ärger und Sorge Tränen in die Augen. »Parbleu! Elise! Komm her.«
»Madame?« Elises Stimme klang verschlafen.
»Sieh zu, dass du in die Küche kommst!« Anna schaute durch das Fenster nach draußen. Marijke stand am Gehege der Hühner, schien mit ihnen zu plaudern. Das Mädchen hatte ein sonniges Gemüt, war freundlich zu jedermann. Männer in Uniformen machten ihr jedoch Angst. Immer noch konnte man das Gebrüll der Soldaten hören, doch anscheinend hatte das Kind seine Furcht verloren.
»Madame?« Elise band sich eilig die Schürze um. IhreHaare waren noch nicht gekämmt, auch trug sie keine Haube.
»Ich muss mich hinlegen.« Anna stützte sich am Tisch ab. Immer wieder fuhren Krämpfe durch ihren Körper. »Pass auf Marijke auf und bereite das Essen zu.« Sie wollte noch etwas anfügen, doch dann musste sie sich vor Schmerz auf die Lippe beißen.
Nur mit Mühe schaffte sie es, die Stiege nach oben zu gehen. Sie ließ sich auf das Bett fallen, versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen. Das Kind in ihrem Bauch bewegte sich heftig.
»Shshsh«, murmelte sie und streichelte den Bauch.
Bitte, lass alles gut gehen, flehte sie. Es ist viel zu früh für das Kind.
Nur eine halbe Stunde später stand ihre Schwiegermutter an Annas Bett.
»Sind es Wehen?«, fragte sie besorgt.
Anna nickte. »Ich fürchte schon. Seit ich liege, geht es jedoch ein wenig besser.« Sie hatte ihr Kleid geöffnet, die Schürze abgelegt.
Änne ter Meer legte ihr die Hände auf den Bauch. Sie schloss die Augen und schien ihr ganzes Fühlen auf die Fingerspitzen zu lenken.
»Ich möchte nachfühlen, ob die Geburt schon begonnen hat«, sagte sie dann ernst. Änne wusch sich die Hände, trocknete sie sorgfältig ab. Dann hob sie Annas Rock und tastete nach dem Muttermund.
»Du scheinst Glück zu haben, noch bewirken die Wehen nichts. Ich mache dir einen Aufguss aus Arnika und Beinwell, das wirkt entkrampfend. Du musst strikt liegen bleiben und dich nicht rühren.«
»Werde ich das Kind halten könne?« Anna sah sie voller Angst an.
»Ich hoffe es.«
Änne ging nach unten in die Küche. Anna konnte hören, wie sie mit der Magd schimpfte.
»Was ist das für ein Zustand? Deine Herrin trägt ein Kind, und du liegst auf der faulen Haut? Sieh zu, dass du Wasser reinholst und Brühe kochst. Hat das Kind schon etwas zu essen bekommen? Warum ist das Brot noch nicht gebacken? Ich weiß gar nicht, warum mein Sohn jemanden wie dich beschäftigt.«
Elise heulte auf, dann hörte man den Brunnenschlegel. Zufrieden legte sich Anna zurück. Immer noch wurde ihr Bauch ab und an hart, doch es
Weitere Kostenlose Bücher