Seidenmagd
Halm.
»Bleibt die Kutsche hier draußen stehen?«, fragte Catharina verwundert.
»Ja, hast es nicht gesehen? Am Tor ist ein großes Schlagloch. Ich würde mir die Achse brechen, wenn ich da durchfahren müsste.«
Catharina setzte sich neben ihn, pflückte ein Gänseblümchen. »Warum ist das Herrenhaus von außen so schäbig, aber von innen nicht?«
Heinrich setzte sich auf. »Es gab Kämpfe hier. Und auch das Haus wurde getroffen – Kanonenkugeln, Granatsplitter. Wenn du da vorne schauen gehst, siehst du überall die Spuren. Monsieur Huyssen hat beschlossen, mit den Reparaturen zu warten, bis der Krieg endgültig vorbei ist.«
»Eine kluge Entscheidung.« Sie schaute sich um. »Aber ist es nicht gefährlich, die Kutsche hier stehen zu lassen?«
»Gerald und ich werden hier draußen nächtigen.«
Kapitel 17
Aus dem einen Tag wurden zwei. Catharina musste nicht bei der Kutsche schlafen, sondern durfte bei den Mägden übernachten.
Von ihrem Herrn sah sie in der Zeit wenig. Sie hatte auch nichts zu tun und konnte die meiste Zeit lesend verbringen.
Doch schließlich wurde die Kutsche wieder beladen, und die Pferde wurden angespannt. Nach kurzer Zeit kamen sie an das Ufer des Rheins. Der Fährmann wartete schon. Mit Mühe brachten sie die Pferde dazu, das schwankende Floß zu betreten. Heinrich sprach beruhigend auf die Tiere ein, und schließlich folgten sie ihm.
Catharina hätte auch Zuspruch benötigt, aber niemand schien sie wahrzunehmen. Sie betrat die Ponte mit klopfendem Herzen.
»Aus dem Weg, Mädchen«, sagte einer der Fährmannsgehilfen. Mit langen Stangen stießen sie die Ponte vom Ufer ab.
Die Fähre schaukelte, Catharina schrie auf und hielt sich an der Kutsche fest.
»Das ist keine gute Idee«, sagte Gerald zu ihr. »Auch wenn die Bremsen angezogen sind, kann sich das Gefährt noch bewegen.« Er grinste, reichte ihr dann den Arm. »Kommt mit nach vorne, da könnt Ihr Euch festhalten.«
Sie ließ sich von ihm an den geraden Bug des Schiffes führen, das eigentlich nur eine schwimmende Plattform mit halbhohen Wänden war. Vorne und hinten konnten die Wände heruntergeklappt werden, so dass sie eine Rampe zum Ufer bildeten.
Heinrich stand zwischen den beiden Pferden, tätschelte ihre Hälse und murmelte ihnen zu. Er schaute über seine Schulter, als Gerald Catharina vorbeiführte. Frieder von der Leyen stand auf der anderen Seite des Pontes und starrte nachdenklich in die Ferne. Er hatte bis auf eine kurze Begrüßung kein weiteres Wort mit Catharina gewechselt.
»Wir haben Glück mit dem Wetter.« Gerald schaute zum Himmel, an dem kleine Schäfchenwolken trieben. »Wir hatten schon so manch unruhige Überfahrt, mit Regen, Sturm und Wellen.«
»Noch mehr Wellen?« Catharina hielt sich an einer splittrigen Holzbohle fest und schaute auf das Wasser. »Ich kann nicht schwimmen.«
»Wer kann schon schwimmen?«
»Habt Ihr eigentlich nie Angst, Gerald?«
Der Kammerdiener lachte rau auf, es klang nicht belustigt. »Nein. Jetzt nicht mehr. Früher war das anders.« Er verzogdas Gesicht und wirkte auf einmal so verschlossen, dass Catharina keine weiteren Fragen stellen mochte.
Der Fährmann und seine Gehilfen standen da und beobachteten, wie die Fähre langsam flussabwärts schwamm. Hin und wieder stakte einer der Männer mit seinem langen Stab.
Catharina war leicht übel, aber das Geschehen faszinierte sie so sehr, dass sie Gerald doch wieder ansprach.
»Wie kommen wir auf die andere Seite?«, fragte sie. »Es gibt weder ein Segel noch Ruderer.«
»Natürlich nicht.« Gerald lächelte amüsiert. »Der Fluss bringt uns auf die andere Seite.«
»Durch die Strömung? Ich dachte, wir kommen damit nur weiter herunter.«
»Seht Ihr die Staken, die langen Holzstangen, die die Männer halten? Damit stoßen sie die Ponte immer ein wenig mehr in die Mitte und schließlich zum anderen Ufer. Das geht hier besonders gut, weil der Fluss hier sehr breit, aber nicht sehr tief ist.«
Catharina schaute über die Brüstung. »Nicht tief? Könnte ich stehen?« Sie schaute in das graubraune Wasser. »Es sieht nicht so aus.«
»Mademoiselle, habt Ihr die Staken angeschaut? Wie lang sie sind? Stehen könnt Ihr hier nicht, ertrinken würdet Ihr aber auch nicht, solange das Wetter mitspielt und wir Euch retten können.« Gerald lacht laut, drehte sich dann um und zog seine Pfeife aus der Tasche.
Auf der Mitte des Stromes war es deutlich kühler, ein frischer Wind blies, und Catharina zog ihr Umschlagtuch fester
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