Seidenmagd
gesehen und wusste von Mamsell Luise, dass sie von weit herkamen und sauer schmeckten.
»Die werden in Glashäusern angebaut – bei den hohen Herrschaften. Sie nehmen einiges zum eigenen Verbrauch, aber der Rest wird verkauft. Es wird auch einiges aus den Südländern hierher gebracht.« Sofie schüttelte den Kopf. »Kostet viel, schmeckt aber gar nicht.« Sie warf Catharina einenschüchternen Blick zu, so als wolle sie sich versichern, dass ihre Aussage nicht falsch verstanden wurde.
»Hast du das schon mal gekostet?«, fragte Catharina.
»Ja.«
»Und?«
»Ich weiß nicht.« Sofia kicherte. »Mir hat es nicht geschmeckt, aber mir schmecken die meisten Sachen nicht, die so begehrt sind. Wenn die Herrschaften eine Gesellschaft geben, bleibt immer etwas übrig und unsere Köchin verteilt das dann an das Gesinde. Was ich nicht schon alles probiert habe.« Wieder kicherte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. Ihre Wangen färbten sich rot, und sie senkte verlegen den Kopf. »Aber Ihr gehört ja auch zur Herrschaft«, flüsterte sie.
»Nein.« Catharina schüttelte den Kopf. »Das tue ich nicht.«
»O doch. Ihr habt eins der Gästezimmer, esst mit der Herrschaft und werdet auch auf den Empfang gehen, den Monsieur nächste Woche gibt.«
»Empfang?« Panik machte sich in Catharina breit.
»Es sind dreißig geladene Gäste«, sagte Sofia und überprüfte die Wurzeln, die an einem Stand auslagen. »Und Ihr steht mit auf der Liste, hat Mamsell gesagt.«
»Ihr redet über mich.« Es war keine Frage, es war eine Feststellung, und die Erkenntnis war Catharina unangenehm.
»Wir wundern uns.« Sofia grinste verlegen. »Ihr seid mit Monsieur ... liiert, nicht wahr?«
Catharina riss die Augen auf. »Nein!«, sagte sie empört. »Ich bin sein Kammermädchen.«
Jetzt kicherte Sofia noch lauter. »Ich habe Euch aber bisher nicht in seiner Kammer gesehen.«
Catharina wandte sich ab. Sie wusste, dass auch Gerald solche Gedanken hegte, und fühlte sich in ihrer Ehre verletzt. Bisher war Frieder freundlich mit ihr umgegangen, hatte aber nie schickliche Grenzen überschritten.
»Ich muss noch zum Geflügelmarkt.« Sofia merkte anscheinend, wie unangenehm Catharina die Situation war. »Der liegt am anderen Ende der Straße.« Fragend sah sie Catharina an.
Diese nickte und folgte ihr. Munter plauderte die Magd, erzählte, wer in den prachtvollen Bauten, die so anders aussahen als die Weberhäuser in Krefeld, wohnte, und teilte den einen oder anderen Tratsch mit ihr. Langsam fühlte sich Catharina wieder besser.
Auf dem Geflügelmarkt quakten die Enten, die Gänse schnatterten, und die Wachteln piepsten. Es gab körbeweise Hühner, Fasane hingen, an den Füßen zusammengebunden, von Gestellen. Der Lärm war ohrenbetäubend, und es stank nach Vogelkot.
»Du liebe Güte!«, sagte Catharina. »Werden die alle hier verkauft?«
»Ja. Dort hinten ist der Schlachter, und man kann die Hühner auch hier rupfen lassen.« Sofia zeigte auf eine Ecke des Platzes. »Geflügelmarkt ist nur einmal in der Woche, deshalb ist hier so viel los.«
»Haltet ihr keine Hühner?«
»Wo denn?« Sofia schüttelte den Kopf.
»Im Hof ... im Garten?« Catharina kam sich dumm vor, als sie diese Frage stellte.
»Aber nein, das machen doch nur Arbeiter. Unser Garten ist sorgfältig angelegt und lädt zum Lustwandeln ein. Habt Ihr ihn Euch noch nicht angeschaut?«
Catharina verneinte. Plötzlich wurde ihr klar, wie anders das Leben hier war. Sie schaute sich um. »Es gibt Arbeiter und arme Leute in Hannover? Wo wohnen die denn? Alle Häuser sehen hier prunkvoll aus.«
»Sie wohnen auf der anderen Seite der Stadt.« Sofia rümpfte die Nase. »Dort ist es eng und dreckig.«
Nachdem sie vier Hühner, zehn Wachteln und zwei Enten ausgesucht hatte, ließ die Magd die Hühner schlachten. »Rupfen werden wir sie selbst. Mamsell meint, hier würde das nicht ordentlich gemacht.« Die Wachteln und Enten kamen in einen Deckelkorb.
»Was passiert mit ihnen?«, fragte Catharina neugierig.
»Wir brauchen sie erst in ein paar Tagen. Solange kommen sie in den Stall. So bleiben sie schön frisch.«
Gegen Abend ging sie in die Küche, doch Heinrich war nicht dort. Gerald war mit Monsieur unterwegs, doch der Kutscher hatte bleiben können. Am Morgen hatte Heinrich über Kopfschmerzen geklagt, fiel Catharina ein. Normalerweise kam er pünktlich zu den Mahlzeiten, genoss die anheimelnde Atmosphäre der kleinen Küche.
Catharina machte sich auf die Suche nach ihm.
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