Seidenmagd
wunderbare Musik beinhalten, doch sie war noch profaner. Und Monsieurs Wunsch, sie anders gekleidet dorthin mitzunehmen, zeigte, dass es umProtz ging. Sich zu zeigen, gesehen zu werden und andere zu beobachten und zugleich seichte Unterhaltung zu genießen.
Den Gemeindeältesten würde das nicht gefallen, ganz und gar nicht.
Kapitel 20
In der nächsten Woche verbrachte Catharina viele Stunden damit, das Kleid zuzuschneiden und zu nähen. Frieder hatte ihr einen edlen Seidenstoff und viel Spitze bringen lassen. Für das Futter und das Unterkleid bekam sie raschelnden Taftstoff.
Das kann ich nie und nimmer in Krefeld anziehen, dachte sie seufzend. Der kühle, glatte Stoff fühlte sich ganz wunderbar an. Für gewöhnlich frühstückte sie zusammen mit Frieder. Manchmal kamen der Cousin und seine Frau hinzu, meistens blieben sie jedoch alleine. Nach dem Besuch des Oratoriums hatte Frieder mit ihr über die Texte diskutiert. Er zeigte sich erstaunt, dass sie sich die Texte herausgesucht hatte und was sie darüber dachte. Da sie sich interessiert an der englischen Sprache zeigte, gab er ihr Bibeltexte, anhand derer sie vergleichen und lernen konnte.
Das Frühstück unterschied sich gewaltig von dem, was sie gewöhnt war. Meistens gab es saure Nierchen, gebratene Wurst, Gemüse und Wurzeln, Grütze mit dicken Speckstücken, Geflügel, Fisch und Brot, oft auch frische Früchte. Schon nach wenigen Tagen meinte Catharina, dass sie aus allen Nähten platzte. Aber jeden Tag wurden neue, ihr fremde Dinge aufgetischt, und sie konnte nicht widerstehen und musste probieren. Sie beobachtete Frieder genau, und schon bald konnte siedas unterschiedliche Besteck genauso selbstverständlich gebrauchen wie er.
Gegen Mittag ritt er aus, und abends traf er sich mit Geschäftsleuten und führte wichtige Gespräche. Die Abendmahlzeit nahm sie mit Heinrich und Gerald in der kleinen Gesindeküche ein. Die Speisen waren einfach, aber reichhaltig. Es wurde mit Speck und Fleisch nicht gegeizt, Bier und Würzwein gab es hinlänglich. Catharina fühlte sich in der Gesindeküche wohler als im Salon, sie liebte es, die fette Grütze aus der irdenen Schüssel zu löffeln, den Wein aus Bechern zu trinken.
Gegen Mitternacht kehrte Frieder von der Leyen zurück und ließ Catharina auf ein Glas Wein zu sich kommen. Er hatte ihr diverse Bücher gegeben und wollte ihre Meinung zu den Texten hören. Zuerst war es ihr unangenehm, zumal sie meist nicht seine Meinung teilte, doch zunehmend fand sie Gefallen daran.
Nach einigen Tagen war das Kleid fertig. Es lag auf ihrem Bett, und Catharina stand davor und bewunderte das Kleidungsstück. Die Seide hatte ein dezentes Blumenmuster, schimmerte im Licht. Der Farbton lag zwischen Blau und Grau, war nicht zu protzig, aber trotzdem noch auffällig. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über den Stoff, seufzte leise. Ihr war bewusst, dass das Kleid, auch wenn sie es für sich genäht hatte, nicht zu ihr passte. Trotzdem fand sie es wunderschön.
Da sie die vergangenen Tage mit den Näharbeiten gefüllt hatte, wusste Catharina für diesen Tag nichts mehr zu tun. Monsieur hatte schon am Morgen das Haus verlassen und war nach Braunschweig geritten. Er würde erst am nächsten Tag zurückkehren.
»Mögt Ihr mit auf den Markt kommen?«, fragte Sofie schüchtern. Auch die Magd wusste nicht so recht, wie sie Mademoiselle behandeln sollte.
Ich bin nicht Fisch, nicht Fleisch, dachte Catharina betrübt und freute sich deshalb umso mehr über Sofias Frage.
»Ja, gerne. Ich habe bisher kaum etwas von der Stadt gesehen.«
Die Straßen waren breiter, die Stadt war besser befestigt als Krefeld. Die Fachwerkhäuser waren mit aufwendigen Schnitzereien verziert und höher, als sie es kannte. Die Dächer hatten meist große Gaubenfenster, etwas, was Catharina nie zuvor gesehen hatte. Staunend ging sie durch die Straßen und über den Markt. Das Angebot war reichhaltig, sogar Fasane und Wildschwein wurden angeboten, dazu viel Fisch – Heringe in Fässern, aber auch Forellen und ganze Lachse, die in Eis gepackt, in Kisten lagen.
Manchmal musste Catharina fragen, welches Tier oder welches Gemüse angeboten wurde. Das Angebot war größer als in Krefeld, aber auch die Stadt war viel größer und prächtiger.
»Gibt es das nicht, da, wo Ihr herkommt?«, fragte Sofie neugierig und zeigte auf die Zitrusfrüchte.
Catharina schüttelte den Kopf. Sie hatte diese Früchte mit ihrer leuchtenden Schale bisher nur bei den von der Leyen
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