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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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Catharina an. Ihre Haut war runzelig, doch ihre Augen blitzen wach und klar. »Mein Name ist Thea. Ich war früher die Köchin und bekomme nun das Gnadenbrot hier.« Sie öffnete den Mund zu einem breiten Lachen. Catharina sah, dass sie nur noch zwei Zähne hatte.
    »Was können wir tun?«, fragte sie wieder.
    »Mademoiselle, das ist nichts für Euch.« Thea trat an die Pritsche, berührte Heinrichs Wangen mit den Fingerspitzen. Der Kutscher stöhnte auf. »Er scheint Kieferbeklemmung zu haben.«
    »Aber das ist eine Krankheit, die Kinder bekommen.«
    »Ja, aber manchmal bekommt man sie auch später, und dann ist es schlimm.« Thea schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass da viel zu machen ist.«
    Catharina trat neben sie, fasste sie am Arm. »Wir müssen ihm doch helfen können. Bitte!«
    »Ihr solltet auf Euer Zimmer gehen. Wenn Menschen sterben, ist das kein schöner Anblick.«
    »Ich bin Käthe. Und ich habe schon Menschen sterben sehen. Spar dir das ›Mademoiselle‹. Ich will ihm helfen.«
    »Oh.« Thea sah sie erstaunt an. Dann krempelte sie die Ärmel hoch. »Wenn das so ist – geh Wasser holen – kaltes Wasser. Das kann dir einer der Knechte hoch tragen. Sag, Thea hätte dich geschickt. Wir brauchen auch Leinen. Und eine Schüssel. Außerdem soll Mamsell einen kleinen Topf für einen Aufguss fertigmachen. Viel Hoffnung habe ich nicht«, sagte sie und zog die Wolldecke vom Bett. »Er hat die Starre – das ist selten, aber bei Menschen in seinem Alter kann das vorkommen. Das Gift der Krankheit ist in sein Gehirn gedrungen.«
    Catharina ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um. »Ist es gefährlich?«
    »Für ihn? Ja. Ich denke nicht, dass er es schafft. Aber vielleicht können wir sein Leiden lindern. Für uns? Ich hatte Kieferbeklemmung als Kind. Meist bekommt man das nur einmal im Leben. Aber sicher ist nichts, Gott allein entscheidet.«
    Catharina nickte. Als sie in der Gesindeküche Theas Wünsche mitteilte, wurde die laute Runde auf einmal ganz ruhig. Martin stand auf, nahm einen Eimer und ging zum Brunnen. Die Mamsell gab Catharina Leinenstreifen und Tücher, holte dann einen Korb aus dem Schrank.
    »Das sind Theas Kräuter. Jedenfalls ein Teil davon. Ich setze Wasser auf und lass es Euch bringen. Braucht Ihr sonst noch etwas?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte Catharina. Dankend nahm sie die Sachen entgegen.
    Er wird sterben, dachte sie voller Entsetzen, als sie zurück zum Stall ging. Gestern hatten sie noch gescherzt, und jetzt war er dem Tod geweiht. Leben und Tod lagen nahe beieinander, das hatte sie immer wieder erfahren. Doch es kam zu überraschend und zu schnell, sie konnte es kaum fassen. Muss er leiden, fragte sie sich. Wird es schrecklich für ihn sein? Heinrich gehörte zu ihrer Gemeinde. Die Prediger versicherten immer wieder, dass man, so man ein gottesfürchtiges Leben gelebt hatte, wohlwollend im Reich Gottes aufgenommen wurde. Sie kannte Heinrich zwar nur ein paar Wochen, doch hatten sie diese Zeit intensiv miteinander verbracht, hatten gute und auch schlechte Tage erlebt. Nie war er misslaunig oder ärgerlich gewesen. Die meiste Unbill auf der Reise hatte er mit einem Lächeln quittiert. Nie war er laut geworden, den Pferden gegenüber hatte er viel Geduld gezeigt und auch Zuneigung. Er war so, wie sie sich einen Vater gewünscht hätte, auch wenn er von niedrigerem Stand war als sie.
    Catharina wischte sich über die feuchten Augen. Sie wollte nicht, dass er starb.

Kapitel 21
    »Wir machen noch einmal Wadenwickel«, beschloss Thea.
    Es war tief in der Nacht, seit Stunden versuchten sie, Heinrich Linderung zu verschaffen. Aber nichts schien zu wirken. Sie hatten ihm unter Mühen Weidenrindentee eingeflößt, Wadenwickel gemacht, ihn kalt abgewaschen. Doch das Fieber sank nicht.
    Catharina musste die Luft anhalten, als Thea ihn auszog und mit einem Lappen abwusch. Noch nie zuvor hatte sie einen nackten Mann gesehen und auch niemals so einen Gestank gerochen. Er hatte sich eingekotet, lag verkrampft, die Knie bis zum Brustbein gezogen, auf der Seite.
    Thea schüttelte den Kopf. »Das wird nicht mehr. Der ist hin.«
    »Er atmet noch, sein Herz schlägt. Vielleicht hört er uns, spürt uns. Solange er noch atmet, dürfen wir nicht aufgeben«, flehte Catharina.
    Thea schaute sie müde an. »Du hast recht, einfacher wird es trotzdem nicht.«
    »Für ihn?«
    »Für uns alle.« Sie seufzte.
    »Können wir nicht noch irgendetwas tun?«, fragte Catharina verzweifelt. »Es

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