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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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das wusste sie nun, aber sie würde sich nicht blamieren.
    »Wie hat es Euch gefallen?«
    »Ich weiß es noch nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Es war ... gewaltig, das auf jeden Fall. Ich wusste nicht, dass Musik so sein kann.«
    »Habt Ihr etwas verstehen können?«
    »Von den Texten?« Catharina schüttelte den Kopf. »Kaum.«
    Frieder holte ein Programm aus der Tasche und reichte es ihr. »Dort stehen die Verse, die er benutzt hat. Es sind alles Stellen aus der Bibel.« Dann stand er auf, ging zu einem der Regale und zog eine große und schwere Bibel hervor.
    Gemeinsam suchten sie die Stellen heraus.
    »Ist es nicht blasphemisch, Bibelstellen für eine Abendunterhaltung zu verwenden?«, fragte Catharina. »Die Bibel dient nicht Unterhaltungszwecken.«
    Frieder lehnte sich zurück und nahm die Pfeife aus seiner Tasche. »Meint Ihr? War das profane Unterhaltung? Ist das nicht auch eine Art, Gott zu huldigen?«
    »Mit einem solch gewaltigen Werk? Mit Pauken und Trompeten? Mit Sänger, einem Chor und vielerlei mehr? Wann ward Ihr das letzte Mal in einem unserer Gottesdienste?«
    »Die Musik ist laut, zugegeben, aber sie ist auch prächtig, und sollte man Gott nicht auch prächtig danken und huldigen können? Die Texte werden ja nicht genommen, um zu verhöhnen.«
    »Nein, aber es ist doch Unterhaltung und keine Andacht.«
    »Meint Ihr nicht, dass es verschiedene Wege und Arten geben sollte, Andacht auszuüben?«
    Darüber musste Catharina nachdenken. Sie leerte ihr Glas und bat Frieder dann, sie zu entschuldigen.
    »Aber natürlich, der Tag war lang und anstrengend.« Frieder nickte. »Nur noch eine Sache – Ihr habt meiner Tante ein Kleid genäht. Könnt Ihr das noch mal nähen? Genauso?«
    »Natürlich.«
    »Mit weiten Ärmeln und einem Spitzenkragen?«
    »Ja.« Verwundert sah sie ihn an.
    »Vorzüglich. Dann werde ich Euch morgen Stoff bringen lassen.«
    »Wollt Ihr Eurer Tante ein Kleid schenken?«
    Frieder lachte laut los. »Nein. Ihr sollt es für Euch nähen. Wir werden in die Oper gehen – und das geht nicht, wenn Ihr so gekleidet seid.«
    Catharina sah an sich herunter. Dann seufzte sie. »Muss es wirklich mit weiten Ärmeln und Spitze sein?«, fragte sie leise.
    »Ja. Und nun begebt Euch zur Ruhe.«
    »Darf ich die Bibel und das Programm mitnehmen?«
    Frieder zog die linke Augenbraue hoch, nickte dann. »Nehmt diese hier – sie ist leichter und kleiner.« Er zog ein Buch aus dem Regal, reichte es ihr. »Bonne nuit!«
    In ihrem Zimmer suchte Catharina die ersten beiden Verse heraus, doch dann drohten ihr die Augen zuzufallen. Sie löschte die Kerze und zog sich die Decke bis zum Kinn. Das Leinentuch verströmte einen süßlichen, aber nicht unangenehmen Duft, ähnlich der Seife, die auf dem Waschtisch lag. Wie Samen der Pusteblume im Wind flogen ihr viele verschiedene Gedanken durch den Kopf, doch sie bekam sie nicht zu fassen.
    Am nächsten Morgen wachte Catharina früh wieder auf. Die ersten Geräusche des Haushalts waren zu hören, dieMagd schäkerte im Hof mit dem Knecht, welcher Wasser für die Pferde holte.
    Catharina sprang aus dem Bett, doch dann wurde ihr klar, dass sie nicht gebraucht wurde und sich Zeit lassen konnte. Wieder fühlte es sich falsch und ungewohnt an. Sie wartete nicht darauf, dass die Magd warmes Wasser bringen würde, sondern wusch sich mit dem kalten, das noch im Krug war.
    Dann zog sie sich an, setzte sich an das Tischchen am Fenster und schlug die Bibel auf. Immer noch hatte sie die Musik in den Ohren, wenn sie die Augen schloss, vermeinte sie sogar, noch die Stimmen der Sänger zu hören. Es hatte sie ergriffen und berührt. Doch war dies eitel? War dies sündig? Schlicht war die Musik keinesfalls gewesen und damit auch nicht gottfürchtig. Dennoch handelte sie von den Geschichten der Bibel, von den Prophezeiungen und Christi Geburt. Durfte man Gott lobpreisen und besingen? Auch in ihrer Gemeinde wurden Psalmen gesungen, jedoch auf die alte, ehrfürchtige Art. Mit Musik hatte das oft nichts zu tun. Die Töne wurden lang gezogen, es klang wie eine Klage und keine Anbetung. War die Art, Gott mit Instrumenten, mit Chorgesängen und mit einzelnen Stimmen zu preisen, nicht viel schöner?
    Ganz sicher ist das schöner, sagte Catharina sich. Aber diese Art der Musik wird zum Selbstzweck und dient nicht der Ehrerbietung.
    Seufzend setzte sie sich auf. Die Musik hatte sie beeindruckt, trotzdem entsprach sie nicht der Lebensweise der Mennoniten.
    Eine Oper würde sicher auch

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