Seidenmagd
dir nicht vorstellen, wie es innen aussieht – es ist alles ...« Catharina runzelte die Stirn.
»Wie? Wie denn?«
»Edel ist es. Wir sind durch die Küche hineingegangen, Mutter mochte nicht an der Eingangstür klopfen.«
»Hätte sie denn gekonnt, ich meine ...?«
»Ich weiß es nicht. Mamsell Luise hat uns herzlich begrüßt, es gab süßes Brot und würzigen Wein, der dem Gaumen schmeichelt. So etwas habe ich noch nie gekostet«, schwärmte Catharina.
»Ach, ihr wurdet beköstigt?« Ein wenig Neid klang in Henrikes Stimme mit.
Catharina nickte. »Wir haben einen Moment in der Küche gewartet – sie ist so groß wie unser Erdgeschoss.«
»Parbleu!«
»Ja, und alle Töpfe blinken und blitzen – sie haben Kupferpfannen und Glaskaraffen, Gläser und Schüsseln aus Porzellan.«
»Keine irdenen Schüsseln?«
»Bestimmt, aber die anderen sind mir einfach ins Auge gefallen.«
»Ward ihr nur in der Küche?«
»Nein, nein. Das Mädchen hat uns in den Salon geführt. Stell dir vor, die Böden sind über und über mit Teppichen bedeckt. Und an den Wänden hängen auch einige.«
»Wirklich? Was haben sie denn ... ich meine ... treten sie da ...? Bei den Flohs gibt es im Chambre auch einen Teppich, aber niemand darf ihn mit Straßenschuhen betreten.«
»Oh, wir durften, auch wenn ich erst Skrupel hatte. Es ist ein wunderbares Gefühl, so muss es sich anfühlen, wenn man auf Wolken geht. Noch weicher als frisches Gras im Frühjahr.« Catharina seufzte auf und schloss in Erinnerung an den Nachmittag die Augen. Sofort hatte sie das Bild von Frieder von der Leyen im Kopf.
»Und dann?«, drängte ihre Schwester.
»Im Salon wartete Madame Margaretha auf uns. Sie begrüßte uns sehr herzlich. Mutter hat ihr die Kostüme gezeigtund den Wein abgelehnt.« Catharina zog einen Flunsch. »Dabei sah der so samtig aus, so weich und köstlich.«
»Das ist nicht schlicht und somit nicht gottgefällig, kein Wunder, dass Mutter abgelehnt hat. Dabei sind die von der Leyen auch Mennoniten. Wenn sie es dürfen, warum wir dann nicht?«
»Sie sind anders als wir.« Catharina zog die Stirn in Falten. »Sie machen sich bestimmt keine Gedanken darüber, bei ihnen gehört das einfach dazu. Madame Margaretha trug keinen Schmuck, doch ihr Gewand war aufwendig gewebt und verarbeitet, feinste Spitze und Samtbänder.«
»Das würde der Gemeindevorstand bei allen anprangern, bei ihnen tut er es nicht.«
»Nein, stimmt.« Catharina dachte wieder an Frieder. Er hatte ein nettes, ein offenes Gesicht. Sein Händedruck war warm, sein Lachen ehrlich gewesen. Röte stieg ihr den Hals hoch in die Wangen.
»Was war noch?«, fragte Henrike und grinste.
»Nichts.« Catharina zog sich die Decke bis zur Nasenspitze.
»Nun komm schon, erzähl es mir.« Henrike stupste ihre Schwester liebevoll in die Seite.
»Der Neffe war da.« Catharina biss sich auf die Lippe.
»Frieder von der Leyen? Oh. Und?«
»Er ist sehr nett.«
»Aha.« Henrike zog die Stirn kraus. »Nett? Ist das alles? Hast du etwa mit ihm gesprochen?«
»Ja doch. Er hat mir die Hand gereicht und wollte mir Wein anbieten, doch Mutter hat das nicht zugelassen. Er ist so stattlich und elegant.«
»So, so.«
»Ja, und er riecht so gut.« Catharina schloss die Augen.
»Nach was denn?«, fragte Henrike verwundert.
»Na, nach Seife und Leder und Parfüm. Er roch irgendwie wie eine Heuwiese.«
»Du hast doch von dem Wein getrunken, und er ist dir zu Kopf gestiegen.« Henrike kicherte.
Die beiden Mädchen hatten zwar die Familie von der Leyen regelmäßig in der Kirche gesehen, doch obwohl die Familie immer sehr freundlich war, blieb sie doch in gewisser Distanz zu den anderen Gemeindemitgliedern.
»Was hatte er an? Und was hat er gesagt? Ich will jedes Detail wissen.«
Catharina blies die Kerze aus. Die Mädchen kuschelten sich im Dunkeln aneinander und flüsterten.
Das liebe ich, dachte Catharina schließlich, glücklich und müde. Das ist zu Hause sein, auch wenn es manchmal schwierig ist. Mit diesem Gedanken schlief sie ein und träumte von Teppichen, seltsamen Knollen und edlen Weinen.
Am nächsten Tag war Esther noch wortkarger als sonst. Sie sah übernächtigt aus.
»Die Kostüme sind fertig«, sagte sie müde zu Catharina, als diese das Feuer schürte.
»Tres bien, Maman. Die von der Leyen schienen sehr zufrieden zu sein.«
»Das wird man sehen. Auch wie ihre Gäste die Kleider beurteilen.« Sie seufzte, nahm den Brotteig aus der Schüssel und begann ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher