Seidenmagd
seinem Mundwinkel, ein bestialischer Gestank verbreitete sich in der kleinen Kammer. Japsend hielt Catharina die Luft an.
Thea beugte sich über den Kutscher. Leise murmelnd schloss sie seine Augen. »Geh mit Gott!«
»Was ... was?«, stammelte Catharina.
»Er ist von uns gegangen«, antwortete Thea leise.
»Nein, das kann nicht sein«, schrie Catharina auf. »Es hat mich gerade noch angeschaut, sein Blick war klar und wach!«
»Das ist oft so, das letzte Aufflackern vor dem Tod.« Thea drehte sich um und strich Catharina beruhigend über den Arm. »Es ist schnell gegangen, er hat nicht sehr leiden müssen. Für ihn ist es das Beste, glaube mir.«
»Er war wach. Das Fieber war gesunken.«
»Kind, schaut ihn an. Seine Wangen sind angeschwollen, die Kieferbeklemmung ist schlimmer geworden, auch wenn der Aufguss und die Tinktur ihm Erleichterung verschafft haben mögen. Die Krämpfe im Kopf und in den Beinen hatten sich gelöst, und er mag weniger Schmerzen gehabt haben, und doch tobte die Krankheit weiterhin in seinem Körper. Wir haben alles getan, was wir tun konnten.«
»Nein!« Catharina schüttelte verzweifelt den Kopf. Die Tränen liefen ihr ungehemmt über die Wangen.
»Ach, Kindchen, glaub mir, für ihn ist es besser.«
»Was ... warum stinkt es hier so? Ist das der Geruch des Todes?«, fragte Catharina, als sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»So kann man es nennen.« Thea legte die Decken zusammen, wickelte die Leinenbinden von den nun schlaffen Beinen des toten Mannes. »Wenn der Tod kommt, entleert sich der Körper.«
»Es ist ... oh.« Catharina schlug die Hand vor den Mund. Natürlich hatte sie schon Tote gesehen. Ihr Vater war zur Totenwache drei Tage in der Stube aufgebahrt worden. Aber damals war sie klein. Noch nie hatte sie jemanden sterbensehen. Doch die aufgebahrten Toten, die sie bisher gesehen hatte, hatten nicht derartig gestunken. Voller Entsetzen sah sie, dass Thea Heinrich entkleidete. Dann tauchte die alte Frau einen Leinenlappen in den Eimer, wrang ihn aus und begann den Toten sanft abzuwaschen.
»Geh«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Das ist kein Anblick für ein Mädchen wie dich.«
»Nein.« Catharina nahm den zweiten Wickel und folgte Theas Beispiel. Gemeinsam wuschen sie den Leichnam. Immer wieder musste Catharina sich die Tränen von den Wangen wischen. Thea suchte saubere Sachen aus Heinrichs Truhe, und sie zogen sie ihm an, nachdem sie die beschmutzte Strohmatratze in den Hof geworfen hatten. Dann fegten sie die Kammer aus, brachten die Decken und Kleidung nach unten. Obwohl sie niemanden etwas gesagt hatten, schienen alle vom Tod des Kutschers zu wissen. Schnell wurden das Stroh, die Matratze und die Decken auf einen Haufen geschichtet. Heinrichs Kleidung und seine Truhe holte einer der Knechte aus der Kammer.
»Was macht ihr nur?«, fragte Catharina.
»Seine Sachen werden verbrannt.« Thea zog sie beiseite.
»Was? Alles? Auch seine Truhe? Vielleicht ist dort etwas, was seine Familie als Andenken haben möchte.«
Der Knecht sah sie mürrisch an. »Dann schaut nach, Mademoiselle. Falls dort etwas ist, könnt Ihr es an Euch nehmen. Solltet Ihr aber auch erkranken, werden wir es verbrennen, genau wie Eure Sachen auch. Hirnfieber ist selten, und keiner von uns möchte es bekommen, glaubt mir. Und wer weiß schon, woher Krankheiten kommen?«
Mit rotem Kopf öffnete Catharina die Truhe, doch es gab keine persönlichen Gegenstände, nur Kleidung. Seufzend gabsie dem Knecht ein Zeichen, dass er die Truhe auf den Scheiterhaufen werfen konnte.
»Bitte, zieht Euch aus. In Eurem Zimmer. Gebt der Magd die Kleidung – der Waschzuber wurde schon vorbereitet und heißes Wasser wird Euch gleich gebracht«, sagte die Mamsell und wich Catharinas Blick aus.
Ja, natürlich, dachte Catharina. Ihr Blick suchte Thea, doch diese war nicht mehr im Hof. Musste sie sich auch der Kleidung entledigen und baden? Sie wusste es nicht.
Das Klappern von Hufen riss sie aus ihren schwermütigen Gedanken. Frieder von der Leyen und Gerald ritten in den Hof, hielten ihre Tiere kurz vor dem Feuer an.
»Was ist hier los?« Frieders Stimme hallte über den Hof.
»Euer Kutscher ist verstorben.« Der Knecht nahm den Zügel des Pferdes.
»Was?« Frieder schaute sich um, sein Blick fiel auf Catharina. »Mademoiselle? Ihr seht krank aus. Was ist passiert?«
Catharina konnte förmlich spüren, wie die anderen Bediensteten von ihr zurückwichen. Sie atmete tief ein, schluckte, dann wurde ihr
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