Seidenmagd
schwarz vor Augen.
Kapitel 22
»Ich glaube nicht mehr an einen Friedensvertrag. Jetzt nicht mehr.« Engelbert vom Bruck stopfte sich die Pfeife.
»Nicht?« Abraham sah besorgt zu seiner Frau. Anna saß im Sessel am Kamin und stopfte Wäsche. Sie schien kaum zuzuhören, doch er wusste, dass sie jede schlechte Nachricht mehr und mehr mitnahm. »Worauf stützt sich Eure Erkenntnis?«
»Der Gesandte des Großtürken hat mit dem König verhandelt, alles sah gut aus, doch dann hat der Gesandte das Lager verlassen, so schrieb die französische Zeitung von Köln letzten Monat. Die Armee der verbündeten Truppen des Königs ist vom Niederrhein abmarschiert, obwohl hier immer noch feindliche Bataillone stationiert und in Quartier sind.« Engelbert seufzte. »Die hannoversche Abteilung hat den Rhein im Juni überschritten und Magazine in Geldern, Xanten und Gennep zerstört, des Weiteren wurden zwei große Schiffe der Franzosen auf dem Rhein versenkt, die Heu geladen hatten. Der Franzose glaubt nicht, dass unser König tatsächlich Friedensabsichten hat.«
Abraham biss sich auf die Lippe. All diese Tatsachen waren ihm nicht unbekannt, doch hatte er versucht, sie von Anna fernzuhalten.
»Das heißt alles nichts. Mögt Ihr noch einen Wein?« Abraham stand auf. »Ich habe da einen Riesling aus der Pfalz, exzellenter Tropfen.«
»Gerne, gerne, mein Freund.«
»Ich weiß auch nicht, ob ich noch an den Frieden glaube«, sagte Anna nun leise. »Sie kämpfen ja immer noch ohne Unterlass.« Sie dachte an den zweiten Juli zurück. Vor drei Wochen war es heiß und stickig gewesen, der Himmel von einer seltsamen Farbe – ein wenig wie von Wasserdampf beschlagenes Glas. Als es nachmittags in der Ferne grollte, hoffte Anna auf ein reinigendes und erfrischendes Gewitter. Ihre Füße waren geschwollen, sie bekam kaum Luft. Doch das Grollen wurde lauter, ohne dass sich der Himmel bezog, und auf einmal wusste Anna, wann sie dieses Geräusch schon gehört hatte. Es war der Kanonendonner einer Schlacht. Bis in den Abend hörten sie die Kanonen und Geschütze, Schreiehörten sie diesmal nicht, die Kämpfe fanden zu weit weg statt.
Es kamen lauter schlechte Nachrichten, die Anna das Herz schwer machten. Die Kurfürstin von der Pfalz war mit einem kleinen Sohn niedergekommen, der jedoch schon eine Stunde nach der Geburt starb. Der jüngere Prinz von Braunschweig wurde bei einer Schlacht verwundet und erlag einige Tage später seinen Verletzungen. Während eines starken Gewitters plünderten Diebe einen der Flöthhöfe.
»Es sind alles schlechte Zeichen«, meinte Anna düster.
»Madame, Ihr dürft Euch davon nicht peinigen lassen«, versuchte Engelbert vom Bruck sie zu beruhigen. Doch Anna schüttelte nur den Kopf.
»Alles wird ein böses Ende nehmen«, meinte sie.
Die beiden Männer sprachen noch ein wenig über die politische Lage, wandten sich dann den Büchern zu, die sie gelesen hatten. Doch an diesem Abend wollte kein anregendes Gespräch aufkommen, und schon bald verabschiedete sich vom Bruck.
Voller Sorge beobachtete Abraham seine Frau, die unruhig durch die Stube wanderte.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte er leise. Sie hatte ihre Zeit erreicht, das Kind konnte jeden Tag kommen.
»Noch geht es.« Anna presste die Fäuste in den Rücken. »Es wird nicht mehr lange dauern.«
»Soll ich meine Mutter rufen?«
Anna schüttelte den Kopf. »Nein, es ist noch zu früh. Ich glaube nicht, dass es heute schon so weit ist. Mir macht nur mein Rücken zu schaffen. Die Last, die ich trage, ist schwer.«
»Ach Anna, gibt es etwas, was ich für dich tun kann?« Abraham knetete seine Hände. Seine Frau reagierte nicht. Sieging nach oben, schaute nach dem schlafenden Kind, kam wieder hinunter.
»Soll ich dir etwas Würzwein bereiten?« Er fühlte sich hilflos.
»Ja, vielleicht hilft mir der Wein, zur Ruhe zu kommen.« Anna seufzte. »Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf. All diese schlechten Zeichen – sie machen mir Angst.«
»Welche schlechten Zeichen?«
»Der Tod des kleinen Kurfürsten, der Tod des Prinzen von Braunschweig, das Erdbeben in Lissabon – es war schon das Zweite in diesem Jahr. All das sind schlechte Omen. Ich sorge mich um unser Kind.«
»Aber du fühlst es noch?«
»Leg die Hand hier her.« Zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Anna. Sie nahm seine Hand, führte sie zur richtigen Stelle ihres geschwollenen Leibes. »Da, fühlst du das?«
Voller Verzückung spürte er die Bewegungen des noch ungeborenen
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