Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
Vom Netzwerk:
Kindes. Es war ein großes Wunder für ihn, dass im Körper seiner Frau neues Leben heranwuchs. Aber auch er sorgte sich um seine Frau und das Kind. Sie hatte schwer an der Schwangerschaft getragen, oft war es ihr nicht gut gegangen, auch wenn das Kind zum Glück nicht zu früh gekommen war. Nun aber war es an der Zeit, dass es das Licht der Welt erblickte. Plötzlich spürte er, wie der Bauch hart wurde, als ob er sich verkrampfte und zusammenzog. Anna holte hörbar Luft.
    »Was war?«, fragte Abraham besorgt.
    Anna richtete sich auf. »Nichts, nichts«, murmelte sie, doch ihr Blick hatte sich verändert, so als wäre er plötzlich nach innen gerichtet, als würde sie auf etwas lauschen, was in ihr passierte.
    Abraham ging in die Küche, wärmte den Würzwein auf. Elise hatte den Brotteig angesetzt und war schon zu Bett gegangen.
    Er brachte seiner Frau einen Becher Wein, sie stand am Fenster und schaute in die Nacht.
    »Schlechte Omen, glaubst du wirklich daran?«, fragte er sie.
    »Ich weiß es nicht. Manchmal scheint es mir so, als würde es Zeichen geben. Aber das sind blasphemische Gedanken, nicht wahr?« Sie sah ihn nachdenklich an.
    »Ja. Unser Leben ist von Gott bestimmt, er entscheidet.«
    »Aber manchmal sind seine Entscheidungen nur schwer zu ertragen. Warum lässt er ein Kind sterben, dass nur eine Stunde gelebt hat? Warum lässt er einen jungen Mann sterben, der nur seine Pflicht fürs Vaterland tat?«
    »Gottes Wege sind unergründlich. Du solltest nicht zweifeln.«
    »Aber was, wenn ich bei der Geburt sterbe? Was wird dann aus den Kindern?« Anna verzog unglücklich das Gesicht. »Oder was, wenn das Kind stirbt? Wie kann Gott Kinder zu sich rufen, die noch gar nicht gelebt haben?«
    Abraham seufzte unglücklich. Er hatte keine Antwort auf diese Fragen, die auch ihn beschäftigten.
    Anna krümmte sich zusammen und stöhnte auf. Abraham griff nach ihrem Arm. »Liebes?«
    »Es scheint, als ob unser Kind doch in dieser Nacht geboren wird.« Sie schnaufte.
    »Soll ich meine Mutter holen?«
    Anna nickte. »Schick Elise. Lass mich nicht alleine.«
    »Du brauchst keine Angst zu haben.« Abraham spürte den Kloß in seinem Hals, aber er wollte keine Schwäche zeigen.
    »Lieber Gott«, murmelte er, während er zur Küche und der dahinter liegenden Kammer eilte und die Magd weckte. »Bitte, lass alles gut gehen. Ich flehe dich an, lass meine Frau leben!«
    Elise sah ihn verständnislos an. »Was soll ich tun? Mitten in der Nacht quer durch die Stadt laufen?« Sie schüttelte den Kopf, zog die Decke bis zum Kinn. »Das mache ich nicht, das ist mir zu gefährlich.«
    »Elise!« Abraham zog an ihrem Arm. »Nun zier dich nicht. Los. Meine Frau ist in den Wehen, das Kind kommt.«
    »Aber ich habe Angst, habe gehört, dass Soldaten nachts durch die Stadt schleichen und unschuldigen Mädchen Gewalt antun.« Elise versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
    »Unfug!« Sein Ton ließ keine Widerrede zu.
    »Ja, Monsieur.« Verschüchtert sah die Magd ihn an. »Ich gehe ja schon.«
    Erleichtert kehrte Abraham zu seiner Frau zurück. Anna stand immer noch in der Stube, an die Wand gelehnt und schaute auf die Straße. Sie war in sich gekehrt, schien aber keine Schmerzen zu haben.
    »Willst du dich nicht hinlegen, mein Liebes?«
    »Nein, noch nicht. Es wird noch dauern.«
    Es war Annas dritte Geburt, Abraham wurde das erste Mal Vater, er vertraute ihrem Urteil, auch wenn die Sorgen um sie und das Kind blieben. Er wusste nicht, wie er sich verhalten, was er tun sollte, wartete darauf, dass Anna ihm Anweisungen gab, doch sie blieb stumm. Hin und wieder verzog sich ihr Gesicht, dann legte sie die Hände auf den Bauch oder stemmte die Fäuste in den Rücken. Abraham dauerte ihr Zustand.
    »Was soll ich tun?«, fragte er schließlich ganz verzweifelt. »Kann ich dir etwas bringen?«
    Anna schüttelte den Kopf. »Magst du mir etwas vorlesen?«
    Verwirrt sah er sie an. »Vorlesen? Was denn?«
    »Egal.« Wieder beugte sie ihren Körper vor und schnaufte.
    »Möchtest du nicht lieber nach oben? Soll ich das Bett bereiten?«
    »Lies. Bitte.«
    Er nahm das Buch, das zuoberst auf dem Stapel lag, schlug es auf. Es waren Verse von Shakespeare. Langsam las er vor, immer wieder schaute er auf, doch Anna ging vor dem Fenster auf und ab, hin und wieder blieb sie stehen, atmete dann hörbar.
    Abraham hatte die Tür schlagen hören, die Magd war also tatsächlich losgegangen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie zurückkehrte. Änne

Weitere Kostenlose Bücher