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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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folgte ihr.
    »Ist es soweit?«, fragte Abrahams Mutter Anna, ohne ihren Sohn zu begrüßen oder zu beachten.
    Anna nickte. »Ich glaube schon. Noch kommen die Wehen in großen Abständen und sind gut zu ertragen. Willst du die Hebamme zu Hilfe holen?«
    »Ich will erst einmal schauen, wie es aussieht. Komm, wir gehen nach oben.« Sie fasste Anna unter dem Arm, zog sie mit sich. Anna ließ sie gewähren.
    Erleichtert ließ Abraham das Buch sinken, schenkte sich von dem Riesling ein, den er für Engelbert entkorkt hatte. Die Nacht drohte lang zu werden. Er trank das Glas leer, schenkte sich nach. Dann lauschte er. Von oben waren diffuse Geräusche zu hören. Seine Sorgen und die Angst wuchsen, doch er wusste, dass es nichts gab, was er machen konnte.»Lass sie leben, oh, Gott«, sagte er leise und flehentlich. »Bitte, lass alles gut gehen.«
    »Leg dich hin, ich helfe dir aus den Sachen«, sagte Änne ruhig.
    »Das Kind kommt.« Anna stöhnte. »Es wird heute Nacht kommen.«
    »Es ist an der Zeit, Anna. Hab keine Angst.«
    »Ich werde sterben.« Annas Stimme klang ruhig.
    Änne sah sie erstaunt an. »Da sei Gott vor. Wie kommst du auf diesen verqueren Gedanken?«
    »Ich fühle es. Bitte kümmere dich um Marijke.«
    »Unfug. Ich werde mich nicht kümmern müssen, das kannst du selbst tun. Und jetzt machen wir das, was gemacht werden muss. Kindchen, du hast zwei Geburten überlebt, du wirst es auch diesmal überstehen.«
    »Aber eins meiner Kinder hat nicht überlebt.« Anna stöhnte auf, hielt den Atem an, als die Schmerzwelle sie überrollte.
    »Weil es zu früh war. Und nun atme ein. Atme tief in den Bauch. Los! Nicht die Luft anhalten. Atmen.«
    »Ich kann nicht«, presste Anna hervor, Tränen stiegen ihr in die Augen. War sie bis vorhin noch ruhig und voller Zuversicht gewesen, hatte sie nun die Angst gepackt und hielt sie wie mit Krallen fest.
    »Natürlich kannst du. Atme«, forderte Änne ihre Schwiegertochter auf. »Es ist dein drittes Kind. Mein Enkelkind. Wir werden es gesund auf die Welt holen. Ihr werdet beide leben, das weiß ich. Aber dafür musst du etwas tun, atme!«
    »Ich kann nicht.« Anna legte sich auf das Bett, krümmte sich zusammen.
    »Doch, du kannst.« Änne zwang sie, sich auf den Rücken zu legen. Schlug das Kleid hoch und zog ihr die Unterkleidungaus. Sie tastete nach dem Muttermund, fühlte nasse Wärme. »Ist deine Fruchtblase schon geplatzt?«, fragte sie verblüfft.
    »Nein.«
    Ännes Hand war voller Blut. Sie holte tief Luft. Sollte ihre Schwiegertochter recht haben mit ihren Todesahnungen? Schnell schickte sie ein eindringliches Flehen gen Himmel, widmete sich dann wieder den weltlichen Anliegen.
    »Wir müssen dir das Kleid ausziehen. Wo sind Leinentücher, die ich unterlegen kann? Du hast doch sicher alles schon vorbereitet?«
    Anna wies auf die Truhe. Dann setzte sie sich auf, half ihrer Schwiegermutter beim Öffnen der Haken und Ösen.
    »Ich gehe jetzt runter, es wäre gut, wenn die Hebamme käme«, murmelte Änne. »Vergiss das Atmen nicht.«
    »Geh nicht!«
    »Nun hab dich nicht so. Es dauert noch. Wir brauchen aber Wasser und Handtücher, einen Tee mit Kräutern, die es dir leichter machen werden.«
    Änne eilte die Treppe hinab. Sie öffnete die Tür zur Küche, erwartete die Magd dort, doch Elise war wieder zu Bett gegangen.
    »Was fällt dir ein?«, rief Änne, als sie in die Kammer trat. »Deine Herrin bekommt ein Kind, wir werden deine Hilfe brauchen.«
    Elise setzte sich im Bett auf, rieb sich müde über die Augen. »Ich kann es ja nun mal nicht für sie bekommen.«
    »Das kannst du nicht, das ist richtig.« Änne kniff die Augen zusammen. »Du trägst auch ein Kind unter dem Herzen«, sagte sie dann leise und zeigte auf Elises geschwollenen Bauch. »Deshalb die weite Kleidung, die Umschlagtücher. Wer ist der Vater?«
    Elise schlug die Hände vor das Gesicht. »Das spielt keine Rolle.«
    »Natürlich, es spielt immer eine Rolle«, sagte Änne streng. »Wer ist es also? Oder ist er verheiratet?«
    Elise schüttelte den Kopf. »Nein«, schniefte sie. »Er ist Franzose«, fügte sie kaum hörbar hinzu.
    Änne schnaubte ärgerlich auf. »Musste das sein? Aber die Frage stellt sich ja nun nicht mehr. Steh auf, weck den Knecht, er soll Wasser holen und dann schauen, ob die Hebamme kommen kann. Es ist Vollmond, und ich fürchte, dass einige Kinder geboren werden wollen. Wir brauchen einen kleinen Kessel mit kochendem Wasser für einen Kräuteraufguss, einen großen mit

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