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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Ehrfurcht begegnen. Das Zittern, das ich empfand, war das Zittern eines Menschen, der das Zeichen des Gottes tragen würde. Das Leben um mich herum stand still. Wer mit solchen Mächten in Berührung kommt, lauscht nur noch auf sein eigenes Blut, auf die Schläge seines Herzens. Ich spürte kaum, wie Aiko leicht und geschickt die Maske befestigte. Ich wußte, ich brauchte nur an einer Kordel zu ziehen; der Knoten würde sich lösen, die Maske mir vom Gesicht fallen. Ich würde sie, wie eine Opfergabe, meinem Leibwächter zur Linken in die Hände legen und die Hellebarde schwingen, mit nacktem Gesicht. Wenn die Maske es zuließ.
    42. Kapitel
    »S o leicht wirst du mich nicht los«, sagte der Ranrô-ô. »Es ist viel besser, du versuchst es erst gar nicht. «
    Die Zeit war auf diesen Augenblick zusammengeschrumpft, als ich auf die Fersen zurückfederte, mich aufrichtete; den Geruch der Maske einatmete, die seidige, warme Berührung auf meinem Gesicht spürte. Mich langsam in Bewegung setzte.
    Jeder Schritt weckte die Erde, die Erde bewegte sich, knirschte leise. Keiner hörte es, nur ich. Alles Normale war fort, vergessen. Die Zuschauer wurden zu Farbklecksen, vermischt mit den Blitzen der Hellebarde, die ich am gestreckten Arm herumwir-belte. Meine Füße hatten jetzt die Kraft eines Mannes, nein, die Kraft einer Gottheit. Jede Bewegung vollzog sich gleichsam wie von selbst. Zum Denken kam ich nicht. Mein Geist war gefangen in einem schwarzen Raum.
    »Ich wurde allmählich ungeduldig«, sagte der Ranrô-ô.
    »Glaubst du, daß ich noch länger gewartet hätte?« Ich knirschte mit den Zähnen. Er sollte sich, verdammt noch mal, ruhig verhalten. Langsam und mächtig stapfte ich in meinen Filzstiefeln vorwärts. Erstens, weil es die Rolle verlangte, zweitens, weil ich nur auf diese Weise mein Gleichgewicht halten konnte.
    Über meinem Kopf zitterte das Metallfiligran der Greifenflügel.
    Meine beiden Leibwächter folgten mir auf den Fersen; ich vernahm ihre Schritte, das leichte Klirren ihrer Schilde. Das Geräusch empfand ich als tröstend; es zeigte mir, daß ich nicht allein war, dort, wo ich mich befand. Die Treppe, jetzt. Vorsicht! Der untere Teil der Maske verbarg mir die Sicht, und den Kopf senken durfte ich nicht. Ich zähle die Stufen, tastete mich mit den Füßen empor. Kein Problem, den Aufstieg hatte ich ausreichend geübt, auch wenn mich jetzt die Bronzescheibe vor mir auf der Bühne blendete. Der Musiker hielt den mit Brokatstoff überzogenen Schlegel wie ein Zepter. Die Sonne fiel auf die Scheibe, die Fläche funkelte grell und wild, wie flüssiges Feuer. Nun gut, auch das war vorhersehbar. Was mich störte, war die Maske; ich empfand sie wie eine Haut, elastisch und weich, mit meiner Haut verbunden. Sie klebte auf meinem Gesicht, das hätte ich schwören können, aber vielleicht fühlte es sich bloß so an, weil ich begonnen hatte zu schwitzen. Ich sah, wie der Spieler den stoffüberzogenen Schlegel hob. Dumpf schlug das Holz auf die Scheibe, zuerst nur ein leichter, schwingender Brummton. Die Scheibe bebte, das glühende Wasser warf Funken. Der Spieler hob den Arm; der Schlegel schlug den zweiten Ton. Er verursachte ein lautes Dröhnen; die Bühne erschauerte, unter mir wurde das Holz lebendig. Und während der Boden summte und bebte, setzte die Flöte ein, die Trommeln pulsierten. Ich schwang die Hellebarde. Meine Füße hoben sich. Ich spürte den Rhythmus durch meinen Schädel, durch mein Blut, durch die Eingeweide. Die Mundorgel sang, die Trommeln klopften wie Regentropfen. Die Maske knarrte, zog sich enger und fester zusammen, gab mir zu wenig Raum für meine Zähne. Ich fühlte, wie meine Backenknochen sich an der Maske rieben, wie meine Haut sich mit Hitze überzog. Ich hatte angenommen, daß meine Wangen diese Hitze ausstrahl-ten, doch sie kam von außen, von der Maske eben. Etwas unsagbar Drohendes, Beklemmendes umklammerte meinen Kopf, jagte in fröstelnden Schwingungen meine Wirbelsäule entlang.
    Diese Macht war zu gewaltig, als daß ein Mensch sie ertragen konnte. Und mein Geist war im Zentrum dieser Macht, dem Dämon ausgeliefert, der mich mit festen Klauen gepackt hielt.
    »Wovor hast du Angst?« sagte der Ranrô-ô. »Komm, laß uns tanzen. Zum Dank mache ich dir ein Geschenk.«
    »Ich will kein Geschenk von dir!«
    »Du kannst es nicht zurückweisen. Ich zeige dir, was kommen wird. Die Menschen sind blind und taub. Du jedoch wirst sehen… «
    Ich zuckte in einem plötzlichen, nervösen

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