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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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tastenden Händen, geübt und gierig.
    Jeder wußte, was der andere erwartete; wir bewegten uns sanft, fast lautlos, und aus unserer Umarmung wuchs, ganz allmählich, eine mächtige Kraft. Als das Blut in unseren Adern stürm-te, schlossen wir die Augen, blickten nach innen, auf dem Hö-
    hepunkt der Lust, die uns im jähen Schwindelgefühl niederriß.

Und die Benommenheit danach war so überwältigend, daß wir einen Augenblick lang wie ohnmächtig ruhten und dann erst wieder die Augen aufschlugen, als die Berührung unserer verschwitzten Körper uns in die Wirklichkeit zurückholte.
    Dann lagen wir dicht nebeneinander und sahen uns an, die Augen noch umwölkt von der Verzückung.
    »Wir werden es immer wieder tun«, sagte er dumpf. »Wir können niemals aufhören, ne?«
    Ich strich mit dem Finger über seinen Mund.
    »Es fiele mir wirklich schwer, darauf zu verzichten.«
    »Unsere Körper sind jetzt daran gewöhnt«, sagte er. »Sogar wenn wir schlafen, wissen wir es. In Japan gibt es ein Wort dafür.«
    Er sagte es mir. Lachend verbarg ich das Gesicht an seiner Schulter. Er lachte auch, und es dauerte eine Weile, bis wir wieder zu Atem kamen. Dann wurde sein Ausdruck wieder ernst. »Ich werde mit meinem Vater reden. Ziemlich bald sogar.«
    Die Selbstverständlichkeit, mit der er die neue Situation auf-griff, war typisch für ihn. Aber ich war doch etwas ängstlich.
    »Laß das nicht völlig überraschend auf ihn los. Jetzt, wo er nur an das Schwert denkt.«
    Er zögerte und nickte dann.
    »Also gut. Vielleicht ist es besser, wir warten. Sonst hört er womöglich nicht zu.«
    »Ich bin vielleicht nicht die Schwiegertochter, die er sich vorstellt.«
    »Schon möglich, daß meine Mutter nach anderen Maßstäben geurteilt hätte. Oder vielleicht auch nicht, sie war sehr unberechenbar. Mein Vater analysiert nicht – das wäre ihm zu anstrengend. Daneben hat er für Bescheidenheit wenig übrig. Er mag es, wenn andere ihm imponieren – vorausgesetzt, daß sie etwas zum Imponieren haben. Du gefällst ihm.«
    »Er gefällt mir auch«, sagte ich betrübt.
    »Er ist stur.«
    Stur ja, aber mit großer Eleganz und noch größerem Stolz.
    Ich erlag diesem Zauber, erkannte in ihm einen Adel, so alt wie das Blut, einen Hang zum Absoluten, die Verachtung jeder kleinlichen Knauserei. Ein lebender Anachronismus, der sich den Ereignissen beugte, gerade so viel, als nötig war, mit der widerstrebenden Biegsamkeit einer stählernen Schwertklinge.
    »Du kannst ihn nicht ändern«, sagte ich.
    »Nein, seine Kräfte schwinden. Zusehends.« Ein Seufzer hob Kunios Brust. »Immerhin werde ich ihm sagen, daß du dir Sorgen machst. Vielleicht verhält er sich dann etwas vernünftiger. Er weiß, daß seine Tage gezählt sind. Und er wird sich freuen, dich als Schwiegertochter zu haben.«
    »Das ist ein ganz und gar anderes Thema, oder?«
    Er ließ seine Finger durch mein Haar gleiten. Geistesabwesend.
    »Manchmal habe ich wie Hanako das Gefühl, daß alles irgendwie zusammenhängt… «
    48. Kapitel
    I n der zweiten Dezemberhälfte fühlte sich Kunihiko gar nicht gut. Seine Erstickungsanfälle hatten sich seit einiger Zeit häufiger und stärker eingestellt. Das eiskalte Regenwetter war Gift für ihn; ein paar Tage lang konnte er nicht in der Werkstatt arbeiten.
    »Er rechnet nicht damit, wie anstrengend das ist«, sagte Kunio. »Seit ein paar Nächten spürt er sein Herz, er schwitzt und liegt mit offenen Augen in der Dunkelheit. Zu mir sagte er:
    ›Das ist eine hergebrachte Vorschrift: Ein Auftrag muß ausgeführt werden.‹ Wird das Schwert nicht für die Ausstellung fertig, würde er sich selbst auf ewig für den größten aller Versager halten. Von diesem Gedanken ist er nicht abzubringen und wird unausstehlich. Ich muß ihn wieder in die Klinik schleppen.«
    Kunihiko ließ sich nur – wenn überhaupt – vom Chefarzt einer bekannten Privatklinik untersuchen, mit dem er seit Jahren befreundet war.
    »Dr. Takeuchi ist ein bekannter Herzspezialist. Leider ist er bald achtzig«, sagte Kunio.
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »So alt!«
    »Japanische Ärzte praktizieren, bis sie senil werden«, Kunio seufzte. »Takeuchi ist eigentlich noch gut in Form. Aber er behandelt meinen Vater wie ein rohes Ei. Wenn er ihm nur zu widersprechen wagte!«
    Er rief in der Klinik an, bekam einen Termin für den nächsten Tag. Während er frühmorgens nach Miwa fuhr, machte ich eine Stunde Grundtraining. Doch mein Körper fühlte sich unge-lenk an, mein

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