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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Kopfschmerzen? Ich konnte nicht. Meine Lippen wollten es einfach nicht. Sie öffneten sich, aber erstaunlicher-weise kam kein Laut heraus. Mein Mund war trocken, meine Brust schmerzte ebenso wie mein Kopf. Ich fühlte mich elend, und gleichzeitig war dieses Sonderbare in mir, das Gefühl, daß ich ein Geheimnis kannte und keine Worte hatte, um es mitzuteilen.
    Wahrhaftig, eine Faszination ging von der Tuschzeichnung aus. Etwas war an ihr, was mich betraf, nur fand ich nicht heraus, was es eigentlich war. Dabei schien es so einfach, zu sagen, komisch, die Lilie da kommt mir bekannt vor. Oder noch deutlicher: Ich habe den Eindruck, daß Kunihiko diese Blume irgendwo abgezeichnet hat. Aber aus irgendeinem Grund war dies nicht möglich. Und außerdem konnte ich mich nicht konzentrieren, der Schmerz raubte mir fast den Verstand. Ich starrte die Lilie an, starrte und starrte, doch ohne sie zu sehen, sosehr nahm mich das Suchen in Anspruch, das auf meine Entdeckung gefolgt war. Ich zeigte dabei viel Geduld. Wenn ich nur lange genug hinstarrte, konnte es gar nicht anders sein, ich würde schon herausfinden, wieso mir die Blume so vertraut war. Und in einem einzigen Atemzug schaffte ich es. In dem Atemzug nämlich, als Kunio sagte:
    »Es ist schon ganz außergewöhnlich. Die Ausführung habe ich noch nie bei ihm gesehen. Vater blieb stets einer klassischen Linie treu. Diese Darstellung erinnert mich an ein Jugendstil-Motiv. Alfons Mucha hat solche Blumen gemalt… «
    Da zerriß der innere Schleier. Er sagte, nur mit anderen Worten, was ich vergeblich versucht hatte, zu sagen, und gab mir eine präzise Vorstellung von dieser Sache. Ich war nicht einmal erstaunt; bloß verstimmt, daß ich nicht schneller darauf gekommen war. Wahrscheinlich hätte ich noch mehr Zeit dazu gebraucht. Ich warf den Kapuzenkragen meines Pullovers zu-rück. Meine tastenden Finger fanden die Kette, knipsten den Verschluß auf. Ich nahm die Kette von meinem Hals; legte das Medaillon auf den Tisch neben die Zeichnung; verglich die beiden Figuren. Die muschelförmige Lilie, die Blüten, verborgen und kaum entfaltet, die Blätter, kraftvoll emporstrebend: Jede Einzelheit der Zeichnung auf dem milchweißen Reispapier entsprach der Gravur, die einst ein deutscher Goldschmied für eine junge Frau angefertigt hatte, die Iris hieß.
    Kunio hatte es auch gesehen. Er holte kurz und zischend Atem, hob ruckartig den Kopf.
    »Wie hat er das gemacht?« fragte er Hanako.
    Sie kniete regungslos, die Hände im Schoß gefaltet. Nur ihre Augen blitzten.
    »Es lag ihm wohl sehr am Herzen.«
    Kunios Brauen, die weicher und heller waren als sein Haar, zogen sich schräg zusammen.
    »Obaa-San, ich verstehe das nicht…«
    »Ich kann dir keine Erklärung geben.«
    Sie hatte ihn nicht mißbilligend angeschaut, nicht die Spur, doch er biß sich auf die Lippen und schwieg. Sie war unerschütterlich. Eine Pause trat ein, während mir eine Gänsehaut über Hals und Arme lief. Das kann nicht wahr sein, dachte ich, solche Dinge gibt es einfach nicht. Sie sind unlogisch, widersinnig, unheimlich fast. Ich wollte kein Geheimnis; mein Verstand wehrte sich dagegen. Ich wollte herausfinden, wie diese Sache zustande gekommen war, sie hatte ja schließlich Folgen. Wann hatte er den Anhänger gesehen? Soviel ich mich entsinnen konnte, nur ein einziges Mal.
    »Sie waren doch dabei, Hanako-San! Er hat einen Blick darauf geworfen und gesagt: ›Eine schöne Gravur, früher war man sehr genau in diesen Dingen.‹ Das Ganze hat keine halbe Minute gedauert. Wie konnte er das Motiv im Kopf behalten?«
    In Hanakos Augen schimmerte ein winziger Funken Ironie, eine Spur von Fröhlichkeit, so daß ich kaum wagte, es überhaupt wahrzunehmen. Aber schließlich schien es mir nicht ganz unmöglich.
    »Nein, das konnte er nicht.«
    Die Antwort machte einen vernünftigen Eindruck. Das brauchte ich jetzt. Irgendwie mußte es für diese Sache eine einleuchtende Erklärung geben. Ich, zugegeben, hatte sie schon.
    »Hanako-San, ich denke, er hat die Gravur fotografiert. Und dann nach einer Vergrößerung gearbeitet. So war es doch, oder?«
    Ich holte befreit Luft und sah sie erwartungsvoll an. Doch sie sagte eine Zeitlang nichts. Außer meinem Atem gab es keinen anderen Laut im Zimmer. Ich dachte, endlich habe ich das Rätsel gelöst, dagegen kann sie nichts einwenden. Unvermutet wurde ihr Lächeln deutlicher; es war ein verschmitztes Lä-
    cheln, als mache sie sich über meine Gründlichkeit lustig. Und nicht

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