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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Schattenhaut.
    Etwas stieg in meiner Kehle auf, ich schluckte es hinunter. Der Mond war kein Mond; der Mond war eine Maske, die am Himmel hing und mich anglotzte. Sie hatte kugelförmige bewegliche Augen und ein Kinn, das an seidenen Schnüren schaukelte. Auf dem Schattensegment kauerte der Dämon in Gestalt eines Greifen. Seine Krallen waren spitz und hart und rötlich entzündet. Ich verfolgte ängstlich ihr Näherrücken, ihr drohendes Spreizen. Mein Gehirn krümmte und hob sich vor Schmerz, als sich die Krallen in meinen Schädel bohrten. Klick, machte es in meinem Kopf. Die Knochendecke brach wie eine Schale. Ein seltsames Geräusch kam aus meinem Mund, eine Art Blubbern. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich wälz-te mich auf die Seite und erbrach mich.
    Irgendwann, im Laufe der Nacht, weckte mich Musik. Sie hörte sich schrill und mißtönend an, so daß ich mit den Zähnen knirschte. Die Nacht war nicht dunkel; es gab verschiedene Schattierungen von Lila über Grau nach kreidigem Weiß hin.
    Die Musik kam aus einem Nebel, der, während ich hinsah, feurig flackerte wie der obere Teil einer Kerze, viel größer natürlich und nahezu blendend. In dem Flammenvorhang bewegten sich Gestalten, sie schlugen und klirrten mit allerlei Instrumenten; ich sah, wie ihre Umrisse bar jeder festen Form auf mich zuschwebten. Die Nebel teilten sich. Ich trat näher und hatte auf einmal den verwirrten Gedanken, daß ich tanzte.
    Ich sah mich selbst, wie ich, purpurn gekleidet, auf einer Bühne den Ranrô-ô spielte. Ich trat in der Maske auf, ließ die Hellebarde rotieren. Ein dunkles Gehäuse, spinnwebenfein, klebte auf meinen Augäpfeln. Meine Füße schienen am Boden festzu-kleben. Ich bewegte sie mit einer Anstrengung, die mich taumeln ließ. An einem Ständer hing eine große, bronzene Scheibe. Die Helligkeit ließ auf ihrer Oberfläche silberne Wellen zittern. Im Hintergrund knieten Musiker, Frauen und Männer.
    Durch die kugelförmigen Maskenaugen sah ich sie klein, fern, aber in allen Einzelheiten: Sie waren unbekleidet, ihre Körper, weiß bemalt, schimmerten fast gläsern. Blut war an ihnen und Spuren von glitzerndem Schweiß. Auch sie trugen Masken –
    abstrakt und ohne Ausdruck, blank poliert wie Steine. Sie spielten auf ungewöhnlichen Instrumenten: Die Trommeln waren aus Totenschädeln geschnitzt, mit Menschenhaut überzogen, die Flöten aus Menschenknochen gefertigt. Der schreckliche Mißklang zuckte in meinen Nerven, pulsierte wie die Schlagader.
    »Gegen mich ist nichts auszurichten«, kicherte der Ranryô-ô.
    Ich überdachte das, während ich den Rhythmus suchte, der neu war.
    »Diese Gefahr besteht.«
    Die Stimme, kalt und hohl wie aus dem Grab, wisperte in meinen Ohren.
    »Nimm dich in acht. Vor mir.«
    »Ich tue, was ich will.«
    »Du tust, was ich will«, sagte der Ranryô-ô. »Begreife das endlich.«
    Die Musik war eine entsetzliche Kakophonie. Sie machte mich ganz benommen. Was war hier los? Ich tanzte mit schweren Gliedern und rasendem Herzschlag. Der Boden vibrierte unter mir, ein Erschauern, das mir in Bauch und Lenden drang, hin und her flackernd wie der Schmerz in meinem Gehirn. Die Töne kreischten und schwirrten, teils Geräusche, teils fühlbar als Funken und Licht. Ich tanzte, aufgewühlt und in tiefster Übelkeit, und schließlich schrie ich zornig auf, weil ich wankte und den Rhythmus verlor. Da erhob sich eine der Musikantin-nen. Ihr weißgepuderter Körper war geschmeidig und jung. In der Hand hielt sie einen Schlegel. Nackt, mit blutleeren Lippen und dunklen Schatten als Augen, näherte sie sich der Bronzescheibe, schätzte den richtigen Abstand, während das lange schwarze Haar auf ihren Schultern schaukelte.
    »Hörst du mich?« sagte der Ranryô-ô. »Die Erde schläft. Du wirst sie wecken!«
    »Gänzlich ausgeschlossen.«
    »Alles ist bereit, die Zeit, der Ort. Du wirst jetzt tanzen.«
    »Nicht, wenn ich nein sage.«
    Die Frau hob den rechten Arm. Die zärtliche, elegante Bewegung rief eine undeutliche Erinnerung in mir hervor. Der Körper stellte sich auf die Zehenspitzen, verlagerte seinen Schwerpunkt in einer langsamen Drehung. Das Haar wirbelte weich empor, die langen feinen Muskeln spielten unter der Haut, als das Holz die Scheibe berührte. Der Klang verursachte ein bebendes Brummen; ich konnte den Ton im Boden unter mir spüren. Wie ein Stein in stilles Wasser fällt und nach allen Seiten Wellenringe aussendet, so rührte sich der Ton in ge-heimnisvollen Tiefen, zögerte und

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