Seidentanz
ordinär«, seufzte er.
Der Sake war uns ein wenig zu Kopf gestiegen. Ich stützte meine heiße Wange in die Hand.
»Und wozu werden heute die Schwerter gebraucht?«
»Sie werden von Liebhabern gekauft, die bereit sind, für kostbare Sammelobjekte viel Geld auszugeben. Aber die Sammler sind selten; mein Vater braucht ein Jahr, nur um fünf Schwerter herzustellen. Eins davon ist würdig, seinen Namen zu tragen. Er ist ein anspruchsvoller Mensch. Wenn man ihn machen ließe, würde er nur alle zehn Jahre eins verkaufen.«
»Man muß ihn machen lassen«, sagte ich.
Er lächelte mit den Augen.
»Ein solches Schwert, siehst du, ist nicht nur ein Werkzeug.
Es hat eine sittliche und geistige Bedeutung. Es tötet kein lebendes Geschöpf, sondern vernichtet unsere eigene Gier, Zorn und Torheit. So wird es zum Sinnbild des Lebens, nicht des Todes, und erfüllt sein wahres Amt als Spiegelbild der Seele.
Mein Vater sagt: Ein blutbeflecktes Schwert ist scharf; ein reines Schwert ist vollkommen. Ich mache nur reine Schwerter.« Kunio warf mir einen raschen Blick zu. »Ich erzähle dir das nicht, um dir zu imponieren. Mein Vater redet wirklich so.
Das ist ein großes Problem für mich. «
Ich legte die Stäbchen hin.
»Du liebst ihn, nicht wahr?«
»Japaner reden nicht über Gefühle, das weißt du doch.«
Dann, nach einer Pause: »Ja, ich liebe ihn.«
»Hast du es ihn fühlen lassen?«
»Nicht genug.«
»Will er, daß du seine Nachfolge übernimmst?«
»Das ist sein Herzenswunsch. Aber er sagt, ich soll machen, was ich will.«
»Zum Beispiel, Geschichtslehrer sein?«
»Das ist immerhin eine Möglichkeit.«
»Wie langweilig, nicht wahr, den Schülern immer das gleiche zu erzählen?«
»Unvorstellbar langweilig«, seufzte er.
»Die Arbeit, die man macht, ist doch wichtig«, meinte ich.
»Man kann doch nicht nur irgend etwas machen.«
»Ich könnte Schwerter schmieden.«
»Du hast mir noch nicht gesagt, warum du nicht willst.«
»Ich habe Angst, daß ich nicht so gut bin wie mein Vater.«
»Und ihn dabei enttäuschst?«
»So etwa.«
»Hast du es niemals versucht?«
Er lächelte, diesmal sehr selbstsicher.
»Ich war von Anfang an dabei. Immer bei meinem Vater, in der Schmiede. Wie das vor sich geht, habe ich nie vergessen.
Schmiede sprechen mit dem Eisen, wußtest du das?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das ist etwas, das viele nicht wissen. Sie schmeicheln dem Eisen mit Koseworten oder flehen es an. Es kommt auch vor, daß sie es beschimpfen. Sie verfluchen es niemals. Eisen muß man mit Hochachtung behandeln. Eisen ist heilig.«
Ich blickte auf seine nackten Arme und sah, daß sie mit einer Gänsehaut überzogen waren.
»Was noch?« fragte ich.
»Man kommt zu der Überzeugung, so nach und nach, daß das Eisen Sympathie oder Abneigung zeigt. Man merkt es an der Art, wie das Erz auf dem Amboß schmilzt, wie es willig ist oder sich sträubt, wie es singt oder schreit. Ja, so etwas ist sehr klar zu erkennen… «
Er stockte, sah plötzlich etwas betreten aus. Was für einen eigentümlichen Blick er hat, dachte ich. Manchmal scheint er zu träumen, seine Gedanken auf einen ganz bestimmten inneren Kern zu richten. Es ist, als ob er einen Kreis zieht, in dem er wohnt. Dann wieder sieht er mich an, als ob er sich selbst verspotten würde.
»Ich sehe schon«, sagte ich, »du kennst dich gut aus.«
»Ich experimentiere gerne«, erwiderte er, wieder ganz ruhig.
»Zeig mal deine Hände!«
Er streckte sie mir hin. Ich betrachtete sie. Lange, gelenkige Hände, sehr glatt, mit gepflegten Nägeln. Er schüttelte belustigt den Kopf.
»Nein. Man sieht es den Händen nicht an. Mein Vater nimmt brennendes Erz in die Handfläche. Und seine Haut ist zart wie ein Blumenblatt. «
»Deine auch…«
Ich nahm seine Hand in meine und drückte sie. Er umschloß meine Hände mit seinen.
»Seltsam, wie froh ich bin, dir begegnet zu sein.«
Ich erwiderte sein Lächeln.
»Mir scheint, wir reden hier doch über Gefühle.«
»Die ganze Zeit schon. Wir reden ja über nichts anderes.«
»Über irgend etwas muß man schließlich reden«, sagte ich.
13. Kapitel
»I ch wollte mit dir schlafen«, sagte ich. »Vom ersten Augenblick an.«
Seine Lippen bewegten sich an meiner Wange.
»Ich auch.«
Ich schnupperte an seiner Haut wie an einer Frucht. Er hatte einen ganz besonderen Geruch an sich, nach Holzkohle und frischen Gräsern. Keine Ahnung, ob er ein besonderes Rasier-wasser nahm oder ob es der natürliche Geruch seiner
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