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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zu Ende.
    »Ja?«
    Ein Seufzer hob seine Brust.
    »Es könnte sein, daß wir uns lieben.«
    Meine Hände strichen seine Unterarme entlang, umfaßten die Ellbogen, glitten über die Oberarme, fühlten die starken Muskeln unter der zarten Haut.
    »Das war nicht vorauszusehen«, flüsterte ich.
    »Möchtest du darüber sprechen?«
    Ich sog den Geruch seiner Haut ein, die leichte Feuchtigkeit, die aus seinen Poren drang. Unsere Körper klebten aneinander; ich rieb meinen Bauch an seinem Unterleib, eine ganz leichte, kreisende Bewegung.
    »Also gut. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Und du bist wirklich nicht der Erste, weißt du.«
    »Eine Zeitlang«, erwiderte er, »war ich nicht sehr wähle-risch. Und ich fragte mich bereits…«
    »… ob es nicht die bequemste Art zu leben ist?«
    Er strich mir das Haar aus dem Gesicht, bog meinen Kopf etwas weiter zurück, um mir in die Augen zu sehen.
    »Mit viel Übung und etwas Glück funktioniert das. Man kann die Liebe auf bloße Spielereien reduzieren.«
    »Wir sind sehr geübt, Kunio. Und inkonsequent. Wo ist dein Gummi, verdammt? Wir täten besser daran, uns zu trennen.«
    »Daran habe ich nicht gedacht, aber du hast recht«, sagte er.
    »Wann fährt der erste Zug nach Nara?«
    »Um halb sieben.«
    »Gibt es auch einen späteren?«
    »Jede Stunde«, sagte er. »Jede Stunde fährt ein Zug nach Na-ra. Aber was nützt das schon? Sag mal…«
    »Ja?«
    Meine Augen waren leicht verklebt: Ich fühlte seine Atemzüge auf meinen Wimpern.
    »Wie kommt es, daß wir so sicher sind, du und ich? Ich meine… da wir so große Übung haben, verwirren uns vielleicht die Gefühle? Vielleicht ist der Irrtum deutlich sichtbar?«
    Ich antwortete nicht sogleich, ließ meine Finger über seine Brust gleiten, und in der spielerisch zarten Bewegung fühlte ich wieder dieses sinnliche Entzücken. Ein fremder Mann, ein neuer Liebhaber. Solche Männer waren für mich immer die idealen Bettpartner gewesen, ich genoß ihre Gesellschaft und grübelte nicht. Konnte Leidenschaft etwas dermaßen Überwältigendes werden, daß sie das Denken vernebelte? Wußte ich bisher vielleicht gar nicht, was Leidenschaft ist? Träume nicht soviel, Ruth. Mach dir nichts vor. Alles hat einmal ein Ende.
    »Und selbst in diesem Fall…«, sagte ich – und stockte. Sein Blick ging zu mir, sehr lebhaft, mit einem Aufleuchten.
    »Du willst wohl sagen, es wäre dumm, zu früh voneinander zu lassen?«
    Ich lachte, weil er den Satz, den ich hängengelassen hatte, so geschickt auffing und zu Ende brachte; an diesem Echo erkannte ich, wie stark er in mir lebte. Bei allen anderen Männern zuvor war ich allein geblieben. Er sprach weiter; und wieder schien er in meinen Gedanken zu lesen, was mich sehr verwunderte.
    »Als ich dich sah, da hatte ich ein merkwürdiges Gefühl. Mir war, als ob sich meine Aura von mir löste, um dich zu umkreisen. Ich blieb zurück, ein Mensch ohne Licht. Alle Bilder in mir erloschen. Das Ganze dauerte vielleicht einen Atemzug lang; dann war alles wieder wie vorher. Und ich dachte, kaum zu glauben, da reise ich um die halbe Welt, suche dich in vielen Frauen und finde dich genau dort, wo ich geboren bin.«
    Ich streichelte sein Gesicht.
    »Ich würde gerne etwas von ihnen hören.«
    »Von den Frauen?«
    »Ist es dir unangenehm, von ihnen zu erzählen?«
    »Nein, aber warum soll ich davon sprechen?«
    »Weil ich glauben möchte, daß ich einzigartig bin.«
    Er drückte das Gesicht an meine Schulter.
    »Es gab viele Frauen, o ja.«
    »Und du hast mich in ihnen gesucht?«
    »Es ist nicht wahr, daß ein Mann eine Frau besitzt, das ist nur eine idiotische Redensart, biologisch falsch noch dazu. Es ist die Frau, die den Mann in sich aufnimmt. Der Mann, der eine Frau dazu nötigt, wird von ihr gehaßt. Ich rede von dem Akt des Gebens. Der Mann gibt sich der Frau, gibt ihr seinen Samen. Das ist ein Zwang. Er kann nicht anders, wenn er potent ist. Er gibt, um etwas zu empfangen.«
    »Was denn, Kunio?«
    »Sein Ebenbild. Der Mann sucht sich selbst, in der Erfahrung echter Liebe.«
    »Und die Frau?«
    »Sie sucht das gleiche: ihr Ebenbild – wäre sie als Mann geboren. Beide, Frau und Mann, suchen sich selbst im anderen.«
    »Dann liebst du mich also.«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Seit einer Stunde sagst du nichts anderes.«
    »Ich möchte mit dir verbunden sein.«
    »Komm!« flüsterte ich rauh.
    Seine Augen, in denen sich der Mond spiegelte, sahen in meine Augen. Wir fühlten unsere Hände in fiebriger,

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