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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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flatternder Bewegung. Wir kneteten unsere Haut wie nassen Ton, formten unsere Glieder neu, mit jeder Bewegung und mit jedem Atemzug. Wir fanden den Rhythmus, mit hämmernden Herzen, verbunden mit unseren atmenden Leben, unserem Schweiß, unserem Speichel. Wir sagten kein Wort, wir keuchten nur, und das Herz stieß das Blut durch den Körper, wieder und wieder, eine Strömung, die uns herumwarf und fortspülte. Der Mondsplitter schien klar und grell; Lichtfünkchen schimmerten auf unserer Haut, jede Geste, jede Bewegung entsprang dem Wissen, daß das Schicksal uns lenkte, bis wir zwischen unseren Körpern nicht mehr den leisesten Unterschied erkannten. Da erlebten wir einen Augenblick der Einbildung, als ob unsere Herzen, unser Puls im gleichen Rhythmus klopften und das Blut des einen in den Adern des anderen kreiste, wie das Blut zwischen der Mutter und ihrem noch ungeborenen Kind. Unser Atem hing als Dunst über unseren erhitzten Körpern, unser Flüstern erfüllte die Luft. Dann glitten Wolkenschleier über die Mondsichel; das Licht wanderte über ein Gesicht, einen Arm, eine Hand. Und noch später senkte sich Dunkelheit von der Zimmerdecke herab wie eine dichte schwarze Wolke, die uns einhüllte. Die Straßen waren still, und auch die Zikaden schwiegen. Wir schliefen und träumten von unseren schlagenden Herzen. Und in unseren Träumen, lebenswarm und geheim, regte sich eine Geschichte, die lange vor unserer Geburt begonnen hatte, die jetzt neu begann. Aber das wußten wir noch nicht, in dieser ersten Nacht unseres neuen Lebens.
    14. Kapitel
    W eißes Licht traf meine geschlossenen Lider; ich blinzelte, kniff die Augen wieder zu. Ich spürte Kunios warmen Körper neben mir, schmiegte mich an ihn und versuchte, in die Geborgenheit des gemeinsamen Schlafes zurückzusinken. Aber es ging schon nicht mehr; Zweige tanzten hinter dem Moskitonetz, ein Luftzug ließ die Scheiben klirren, der Morgenverkehr brauste. Langsam kehrte das Gefühl meines eigenen Körpers zurück, erfüllte mich mit prickelnder Lebensfreude. Ich streckte den Arm aus, tastete nach meiner Uhr. Halb acht. Kunio rührte sich nicht; sein Atem ging tief und regelmäßig. Sein Gesicht war entspannt, fast kindlich; auf dem weißen Bezug leuchtete seine Haut wie dunkles Gold. Eine Regung kehrte zurück, weich und träge, winzige Flämmchen in meinem Unterleib, welche die Lenden hinaufflackerten. Vorsichtig schob ich die Beine über den Rand des Futons, kniete kurz auf der Binsenmatte und richtete mich auf. Im Vorübergehen ergriff ich meine Yukata – das bequeme japanische Hauskleid aus Baumwolle.
    Leise ging ich ins Badezimmer, schloß die Tür hinter mir. Ich ließ das Wasser nicht zu laut laufen, regulierte die Brause, duschte mich zuerst warm, dann kalt, auch die Haare. Ich putzte mir die Zähne, wusch mein Haar mit Pfirsichshampoo. Dann drehte ich das Wasser ab, schüttelte die Tropfen aus dem Haar, trocknete mich ab und schlüpfte in die marineblaue Yukata. Mit strubbeligem Haar ging ich in das Zimmer zurück; Kunio bewegte sich, hielt die Hand vor die Augen. Ich hantierte in der Küchennische, schaltete die Kaffeemaschine an und holte Geschirr aus dem Schrank. Ich lehnte bequem an der Tür, eine Tasse in der Hand, als Kunio blinzelnd erwachte. Er stützte sich auf den Ellbogen auf, verzog leicht das Gesicht und lächelte mir zu. Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Kaffee?«
    Er nickte. Ich kniete neben dem Futon, reichte ihm die Tasse.
    »Ich habe ihn soeben eingeschenkt.«
    Er nahm die Tasse; wir sahen einander an. Sein schwarzes, zerzaustes Haar leuchtete in der Sonne. Ich strich es ihm aus der Stirn. Es fühlte sich glatt, kräftig und lebendig an. Wir tauschten ein Lächeln. Seine Hand wanderte zu meinem Nak-ken, unter mein Haar. Seine Finger spreizten sich, er schien die Berührung mit der nassen Kopfhaut zu genießen.
    »Ich war schon unter der Brause.«
    Er reichte mir die Tasse; wir nahmen abwechselnd einen Schluck. Wir ließen uns nicht aus den Augen.
    »Wie gut du riechst! « sagte er.
    »Pfirsichshampoo. «
    »Nein, du selbst. Du riechst nach jungem Morgen.«
    »Wie schön du das gesagt hast, Kunio.«
    Sein Lächeln verschwand.
    »Wie spät ist es?«
    »Noch früh. Erst acht. Möchtest du Toast?«
    Er warf eilig die Decke zurück.
    »Keine Zeit! Um neun fährt mein Zug.«
    »Du hättest den Wecker stellen sollen.«
    »Ich hatte anderes im Kopf.«
    Ich lachte, während er seine verstreuten Sachen aufhob und im Bad verschwand. Kaum fünf

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