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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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weich. Und gleichzeitig war da noch etwas anderes, eine tiefe, unbegreifliche Angst. Weit zurück, am Rande des Bewußtseins oder noch weiter vielleicht, wurzelte diese Angst in vagen Gefühlen, gegen die ich wehrlos war.
    Und diese Angst, das merkte ich deutlich, erzeugte sich immer wieder neu, sobald ich Naomi sah oder hörte. Möglicherweise ist sie in Gefahr, dachte ich, solche Dinge spüre ich ja. Vielleicht sollte ich sie warnen. Wovor? Was konnte ich ihr sagen, die ich keine Kenntnisse besaß, keine Gewißheit, nicht einmal eine genaue Vermutung? Nein. Es gab nichts, was ich ihr sagen konnte, egal, wie unruhig ich mich fühlte. Mein Herz hämmerte an die Rippen. Ich wunderte mich, wie heftig mein Zwerchfell arbeitete, und dachte, es ist nichts, es wird vorübergehen. So lebhaft meine Gefühle waren, ich durfte ihnen nicht mehr trauen. Ich war nicht verantwortlich für diese Dinge, sehr häufig war bloß Einbildung im Spiel. Ich warf mein zerzaustes Haar aus dem Gesicht, versuchte mein innerliches Zittern zu beherrschen. Als ich sprach, klang meine Stimme kaum anders als sonst.
    »Das macht nichts. Schön, daß du anrufst! Wie geht es dir?«
    Ihre Antwort klang zurückhaltend und spröde.
    »Am Anfang war es ziemlich schwierig.«
    »Lebst du wieder mit ihm zusammen?«
    »Ja.«
    »Hast du das Gefühl, daß es geht?«
    Ich hörte sie seufzen.
    »Nicht immer. Ich weiß nicht.«
    »Und dein Sohn?« fragte ich.
    »Seiji? Ihm geht es gut. Aber er lernt schlecht in der Schule.
    Meine Mutter ist nicht streng genug.«
    Ich drückte den Hörer an mein Ohr und versuchte, mir ihr Gesicht vorzustellen, es sah im Schlaf wie das eines Engels aus, klar und einfach in seinen Umrissen. Die Haut war zart wie ein Blumenblatt, der Mund üppig geschwungen, und er zeigte jene Andeutung eines halben Lächelns, das man zuweilen auf dem Gesicht schlafender, noch ganz kleiner Kinder bemerkt: ein in sich geschlossenes und behütetes Lächeln, von einem geheim-nisvollen Glück gespeist. Ein paarmal hatte ich dieses Gesicht neben mir auf dem Kissen gesehen, es lange betrachtet, mit Zärtlichkeit und Schmerz. Jetzt wurde mir bei der Erinnerung übel. Vermutlich, weil sie mich aus dem Schlaf gerissen hatte.
    »Und Keita? Arbeitet er wieder?«
    »Er improvisiert viel; er sucht neue Bewegungsabläufe. Er sagt, die Suche nach der Dunkelheit oder die Rückkehr in den Mutterleib käme für ihn nicht mehr in Frage. Es sei ihm wichtig geworden, Freude und Licht mit seinem Tanz auszudrücken.«
    Ich erstickte einen Atemzug, sagte leise:
    »Dann sieht jetzt wirklich alles anders aus.«
    »Ja, doch«, antwortete sie. »Ihn beschäftigen verschiedene Probleme. Aber er braucht mich sehr. Und er begreift jetzt, was vorher falsch war. Wir machen einen neuen Anfang. Ich habe ihm gezeigt, daß es nicht anders geht.« Sie ließ ein kleines Lachen hören. »Ich tue alles, um ihn zu behalten, weißt du.«
    In ihrer Stimme klang nicht der geringste Zweifel. Es schien sich um etwas zu handeln, was sie durch bloße Willenskraft bewirken konnte. Ihr Wille konnte nicht versagen.
    »Dich kann nichts ratlos machen«, sagte ich.
    »Von Zeit zu Zeit bin ich es doch.«
    Ich fragte sie, ob er noch Drogen nahm oder trank.
    Sie schwieg ein paar Atemzüge lang. Dann:
    »Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, fällt es schwer, darauf zu verzichten.«
    »Ich verstehe.«
    »Es ist nicht leicht, über diese Dinge zu sprechen.«
    »Nein.«
    »Und dir?« fragte sie lebhaft. »Wie geht es dir?«
    »Hier prägt sich alles, was ich sehe, tief ein.«
    »Bist du froh, daß du hergekommen bist?«
    »Ich habe noch viel zu lernen.«
    Ich erzählte, daß ich den Ranryô-ô spielte, daß es Mori-Senseis Vorschlag gewesen war. Und auch, daß die Maske eine seltsame Wirkung auf mich ausübte. Naomi wußte um diese Dinge, den uralten Verwandlungszauber, das Grundgeheimnis des Theaters. Sie war, wie ich, mit einem Fuß im Jetzt und Hier, mit dem anderen im Bereich der Schemen und Schatten.
    Die Bühne ist ein weites Land. Terra incognita.
    »Und wie hast du dich dabei gefühlt?«
    »Ich wußte plötzlich nicht mehr, was mit mir geschah. So weit darf man nicht gehen, es muß immer noch ein ›als ob‹
    bleiben.«
    »In manchen Fällen hast du keine Wahl.«
    »Nein. Daisuke-San hat ein Oharai für mich vollzogen.«
    »Dann kannst du Vertrauen haben«, sagte sie schlicht.
    An der bejahenden Einfalt dieser Worte erkannte ich, wie stark auch sie diese Schwingungen vernahm. Ich konnte ihr Gesicht

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