Seidentanz
aufbieten muß, um zu stehen und zu sprechen, hat man das Recht, ein wenig eitel zu sein, ne ? Auf der anderen Seite sieht er sich gerne als einfa-chen Mensch. Aber das ist eher zum Lachen. Einfaches ist mit meinem Vater unmöglich.«
»Nimmst du etwas Whisky?« fragte ich.
»Nur ganz wenig Whisky und sehr viel Wasser.«
Ich schenkte den Whisky ein und stellte das Glas auf den Tisch.
»Und wie ging es weiter?«
»Wir hatten Zeit zu reden, er und ich. Er hat mich gebeten, sein Nachfolger zu sein. Der Erbe der Harada-Tradition, mit allem was dazugehört.«
Ich hielt das Glas an meine Wange.
»Und wie lautete deine Antwort?«
»Daß ich mir die Sache überlegen werde.«
»Kein Versprechen oder so?«
»Das erwartete er nicht.«
»Wie ich sehe, sitzt du in der Klemme.«
»Irgendwie schon«, sagte er. »Und doch irgendwie auch nicht. Ich hasse die Vorstellung, jeden Morgen unterrichten zu müssen. «
»Da hast du dir gesagt, warum nicht?«
»Nicht ganz so kraß. Ich habe bloß mal mit dem Gedanken gespielt.«
Er legte das Kinn auf meine Schulter.
»Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht. Im Shinkanzen, in der U-Bahn, im Hotel. Überall.«
»Und was hast du herausbekommen?«
»Daß es schlimm ist, von dir getrennt zu sein.«
Ein kleines Lächeln hob meine Lippen.
»Vielleicht übertreibst du.«
»O nein«, sagte er, »da bin ich mir sicher.«
Ich antwortete nicht; mit fast wehmütiger Lässigkeit knotete ich die Schärpe auf, beugte mich nach hinten, ließ die Yukata von den Schultern gleiten. Seine Hand zitterte leicht, als sie sich auf meine Wange legte, über meinen Hals hinunterglitt.
Die Spitzen meiner Brüste wurden dunkel und schmerzhaft hart, noch bevor er sie mit den Fingern umkreiste. Unverwandt ruhten seine Augen auf mir, während er sich entkleidete.
Stumm ließ ich mich auf den Futon sinken, rollte mich leicht herum und sah zu ihm empor. Seine Hände strichen über meinen nackten Körper. Ich streckte beide Arme über meinem Kopf aus, wölbte ihm sanft und fordernd das Becken entgegen.
Er legte sich auf mich, umschloß mit seinen Lippen meinen Mund, schob seine Knie zwischen meine Schenkel. Nach einer Weile verließ seine Zunge meinen Mund, glitt über meine Stirn, meine Nasenflügel, folgte den Windungen meiner Ohr-muschel, als könne sie die Vibrationen auffangen, die aus meinem Gehirn drangen. Sein Herz hämmerte an meiner Brust. Als er in mich hineinglitt, öffnete sich mein Schoß wie eine Frucht, warm und feucht, bevor ein Lustkrampf ihn zusammenzog und härtete. Wir sahen uns an, bewegten uns beide sehr langsam, beherrschten die zitternde Erwartung der Ekstase. Ich sog den Geruch seiner Achselhöhlen ein, streichelte seinen Rücken, schimmernd und hell wie Gold, auf dem ein sanfter Rhythmus Licht und Schatten zeichnete. Jede Bewegung vollzog sich ohne unser Zutun, wiederholte sich in unseren Gedanken. Unsere Hände, unsere Körper träumten. Im Hinaufschwingen unserer Herztöne spürten wir die wachsende Kurve unserer Lust; unser ganzer Körper pulsierte, bis der Strom uns fortriß; wir keuchten zusammen wie Ertrinkende.
Dann erfüllte uns eine merkwürdige Schwäche und gleichzeitig auch ein tiefes, friedliches Gefühl. Es war so schön, so ruhig zu sein, einfach die Haut zu spüren, die Wärme; ich hörte Kunios stillen Atem. Seine Hände faßten nach meinen Händen.
Ich hörte ihn flüstern:
»Ohne dich bin ich nur halb.«
Ich streichelte seine Haut, die weiche, lebendige Glätte.
»Ich auch, Kunio. Das ist ein seltsames Gefühl.«
Das, was uns ergriffen hatte, war merkwürdiger als alles, was wir je erlebt oder uns in Gedanken vorgestellt hatten. Wir trugen ein Geheimnis in uns; wir wußten nicht, was es war.
Es machte einen Umweg über unsere Körper, zeigte uns eine dunkle Grenze, hinter der ein Wissen leuchtete, eine ewige, stille Flamme, gehütet, um weitergegeben zu werden. Das alles mußte einen Sinn haben, auch wenn wir ihn nicht klar sahen.
Und in der stummen Vertrautheit unserer Körper, die, nach der Erfüllung noch kaum voneinander gelöst, zärtlich beieinander ruhten, erzählte ich von Daisuke, von der Zeremonie, der er mich unterzogen hatte. Er hörte zu, aufmerksam, aber nicht eigentlich erstaunt. Nach einer Weile stand er auf, goß einen Fingerbreit Whisky in das Glas, das auf dem Tisch stand. Er ging in die Küche, gab viel Wasser hinzu. Dann kam er wieder, setzte sich neben mich und reichte mir das Glas. Ich nippte behutsam an der dünngoldenen
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