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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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mit Hühnerfleisch und Ei belegt, waren in Zellophan eingewickelt. Die Priesterin stellte alles auf den Tisch, legte kleine Papierservietten dazu und zog sich mit einer Verbeugung zurück.
    »Großartig!« seufzte ich.
    Wir aßen die Sandwiches und tranken Kaffee.
    Daisuke sagte:
    »Wie du weißt, Ruth, war das Ritual nicht ganz angemessen.
    Doch wird es deine Lebenskraft stärken. Du brauchst das jetzt.
    Mori-Sensei unterrichtet Bugaku. Seine Schüler, Profis und Amateure, sind Künstler, manche sogar hochbegabt. Aber sie sind nicht wie du. Sie sind keine Schamanen.«
    Er war der erste, der mich so nannte. Eine Gänsehaut überlief mich; Daisuke bemerkte es.
    »Macht dir das angst?« fragte er ruhig.
    Die Frage war nicht unberechtigt. Ich überlegte. Es tat mir wohl, so unvoreingenommen und nüchtern über die Sache zu sprechen.
    »Die meiste Zeit denke ich nicht daran. Da bin ich wie jeder andere Mensch. Aber manchmal, wenn ich tanze, geschehen merkwürdige Dinge.«
    Er fragte nicht, welche, sondern nickte nur.
    »Dann erlebst du eine Entgrenzung. Du wirst, wie man sagt, hinweggerafft.«
    Ich lächelte.
    »Im Mittelalter hätte man mich als Hexe verbrannt. Daß ich Jüdin bin, macht die Sache nicht besser. «
    »Bei uns bist du eine ›Oshira Sama‹, eine ›Ehrenwerte Helle‹
    – eine Weise Frau also. Und das spüre nicht nur ich. Alle, die einen Sinn dafür haben, fühlen sich von dir berührt. Einige natürlich auch abgestoßen.«
    Ich mußte auf einmal lachen.
    »Ich habe schon oft erlebt, daß mich manche auf Anhieb nicht ausstehen können.«
    »Das gehört dazu. Noch etwas Kaffee?«
    Er füllte mir die Tasse.
    »Menschen wie du werden verehrt und gemieden. Du hast mir erzählt, daß du mit Behinderten arbeitest. Das ist gut. Wer keine Scheuklappen hat, spürt deine heilende Kraft.«
    Wieder erschütterte mich ein innerliches Frösteln. Ich blickte ihn fragend an. Er hob ironisch die Brauen.
    »Freude machen kann auch ›heilen‹ bedeuten, muß ich dir das wirklich sagen?«
    »Es wundert mich selbst.«
    »Nimmst du Zucker?« fragte er.
    Er reichte mir die Dose. Ich dankte und bediente mich. Der Priester sprach weiter.
    »Dein Tanz ist eine magische Macht, mit der du Menschen und Götter erfreust. Die Technik wurde dir beigebracht, alles andere ist Veranlagung. Aber denk nicht zuviel darüber nach.
    Es ist besser, wenn du unbefangen bleibst. Und was die Maske betrifft, noch dieses: Du wirst mehr Energie als üblich brauchen. Ich habe dir geholfen, wie es in meiner Macht stand.
    Mehr konnte ich nicht tun.«
    »So schlecht bin ich nicht, oder?«
    Er nahm einen Schluck Kaffee und grinste zurück.
    »Nicht übel, nein. Aber sei nicht unvorsichtig. Dieser Geist ist sehr mächtig. Er wird dir seinen Atem durch die Knochen schicken. Und vielleicht wird er dir ein Feind sein.«
    Ich seufzte.
    »Ich würde jetzt gerne eine Zigarette rauchen.«
    Er hielt mir das Päckchen hin, gab mir Feuer, und steckte ei-ne für sich selbst an. Ich nahm einen tiefen Zug.
    »Eigentlich möchte ich über etwas ganz anderes mit ihnen sprechen. «
    »Über deinen Freund vielleicht?« fragte er lächelnd.
    Er sah den überraschten Ausdruck auf meinem Gesicht und schüttelte sich vor Lachen.
    »Nein, kein Hellsehen. Klatsch. In Kyoto ist es nicht anders als anderswo. Man hat euch zusammen gesehen und es mich wissen lassen. Der junge Harada, nicht wahr?«
    Ich nickte, und er ließ einen Grunzton hören.
    »Irgendwie paßt das alles zusammen.«
    Ich spürte erneut das seltsame Flattern in der Magengrube.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Die ›Harada-Tradition‹ ist hierzulande ein Begriff. Doch die Familie fühlt sich dadurch nicht in eine Zwangsjacke gesteckt. Im alten Japan war Gefolgschaftstreue ein zentraler Wert, aber die ›Meister des Feuers‹ banden nie ihr Herz an einen Pfahl. Treu waren sie nur dem Kaiser. Den Reichen und Mächtigen gegenüber nahmen sie sich Freiheiten heraus, von denen der gewöhnliche Mensch nicht zu träumen wagte. Man sagt, daß Jimmu-Tennô, einer unserer ersten Kaiser, einem Geschlecht der Schmiede entstammte. Ihr Handwerk wurde nie als Gewerbe betrachtet, sondern als heiliges Tun. Indem die Schmiede die Metalle verwandeln, setzen sie das Werk der Götter fort und vollenden es. Für uns Japaner gibt es immer eine Verlängerung der Dinge im Jenseits.«
    »Ich stelle mir vor, wie es für Kunio sein muß«, sagte ich.
    Der Priester lächelte mir zu, mit großer Offenheit und Wär-me.
    »Kunio-San trägt das

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