Seidig wie der Tod
lächerlich!“
„Lächerlich ist der Gedanke, dass eine Reporterin sich mit einem Triebtäter anfreundet, der Vergewaltigungsfantasien in Romanen liest und loszieht, um sie zu verwirklichen.“
„In keiner meiner Geschichten kam je echte Gewalt vor“, verteidigte Desiree ihr Werk. „Bei jeder Story ging es immer nur darum, dass die Heldin einen attraktiven Mann dazu bringt, zu tun, was sie sich wünscht, obwohl es nach außen hin so aussieht, als ob sie dazu gezwungen würde. Der Gnade eines an Kraft weit überlegenen Mannes ausgeliefert zu sein, erlaubt ihr und den Leserinnen, sich von der Verantwortung für ihre geheimen, politisch unkorrekten Wünsche loszusagen.“
„Verdammt, ich werde nicht hier herumsitzen und über politische Korrektheit mit dir diskutieren, Desiree!“, explodierte er. „Ich erlaube keinen Widerspruch in diesem Punkt. Nicht, solange ein Triebtäter hier frei herumläuft. Du wirst nichts mit dem Kerl zu tun haben!“
Er sprang auf und starrte sie wütend an. Früher, wenn sie diesen Punkt erreichten, war meist die Leidenschaft dem Zorn gefolgt, und der Streit hatte im Bett geendet. Ihre Beziehung hätte klappen können, dachte Desiree noch heute oft, wenn sie bloß vierundzwanzig Stunden am Tag im Bett geblieben wären.
O’Malley packte sie an den Schultern und schüttelte sie. „Es geht hier nicht um einen Roman. Dieser Kerl ist nur allzu real. Und sehr gefährlich. Ich möchte nicht, dass du in die Sache verwickelt wirst.“
„Aber das bin ich längst. Und wenn ich ihn ignoriere, was hält ihn dann davon ab, in seinem Zorn und seiner Enttäuschung noch weitere hilflose Frauen zu vergewaltigen?“
„Das tut er ja bereits“, erinnerte O’Malley sie. „Er scheint also keine zusätzliche Motivation zu brauchen.“
„Und wenn ich mich bereit erklärte, mich mit ihm zu treffen?“ Der Gedanke war in ihr gereift, seit sie den Brief gelesen hatte.
„Bist du verrückt?“
„Du könntest mich als Lockvogel benutzen.“ Desirees journalistischer Instinkt lief auf Hochtouren. Den Triebtäter zu fassen, würde nicht nur den Bürgermeister und den Stadtrat glücklich machen, sondern ihr vielleicht auch eine Stellung bei einem der großen Fernsehsender einbringen …
O’Malley starrte sie an. „Weißt du“, murmelte er, „so ungern ich es auch zugebe, wäre es vielleicht gar keine schlechte Idee.“
„Wirklich?“ Angesichts der Möglichkeit, bei der Ergreifung des Vergewaltigers mitzuwirken, fühlte Desiree sich fast ein bisschen wie Superwoman.
„Ja, wirklich.“ O’Malley hatte jenen entrückten Ausdruck in den Augen, der Desiree verriet, dass er einen Plan entwickelte. „Zuerst wirst du die Story zurückhalten. Damit er glaubt, du ignoriertest ihn“, fügte er rasch hinzu, als sie zum Widerspruch ansetzte.
„Oh. Das ist eine gute Idee. Es wird ihn so verärgern und frustrieren, dass er vielleicht einen Fehler macht.“
„Das hoffe ich. Wir zapfen dein Telefon zu Hause und im Sender an, und wenn der Kerl sich meldet, kannst du versuchen, ein Treffen zu verabreden.“
„Ich werde ihn schon dazu überreden.“ Erregung erfasste sie.
„Gut. Du wirst dich aber nicht mit ihm treffen.“
„Aber …“
„Wir schicken eine Kriminalbeamtin an deiner Stelle hin, und dann schnappen wir uns den Schurken.“
Also doch nicht Superwoman. Desiree, die wusste, wann sie sich geschlagen geben musste, beschloss, sich wenigstens die Rolle von Lois Lane zu sichern. „Na schön.“ Sie zuckte die Schultern und tröstete sich damit, dass sie wenigstens erheblich mehr über diesen Fall wusste als alle anderen Reporter in der Stadt. „Aber ich mache dir einen Vorschlag, Michael.“
„Du bist nicht in der Position, zu verhandeln“, erinnerte er sie. „Aber ich bin bereit, dir zuzuhören.“
„Ich werde nicht über den Fall berichten. Noch nicht. Aber ich verlange einen Exklusivbericht, wenn der Kerl verhaftet wird.“
O’Malley nickte. „Einverstanden.“
Als sie zu seinem Dienstwagen zurückgingen, fiel ihnen nicht der schwarzgekleidete Mann auf, der im Schatten einer alten Eiche stand und Desiree eindringlich beobachtete.
Roman lag in einem Sessel in der Bibliothek seines alten Hauses und starrte auf das Durcheinander, das einst ein prächtiger Garten gewesen war. Neben den Terrassentüren lag Desirees Buch
Geheime Leidenschaften
auf dem Orientteppich, wo es gelandet war, als er es quer durch den Raum geschleudert hatte. Ironischerweise hatte es sich genau auf
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