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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Sperrmülllader heruntergefallen.
    Vorsichtig nahm sie Platz. René ging hinter den Schreibtisch. Mit einer schnellen Bewegung schlug er der Flasche den Kronkorken ab. Coralie reichte ihm ihre Flasche, mit der er das Gleiche machte. Eine kleine Weile tranken sie schweigend. Malzbier um zwei Uhr morgens. Wie magisch angezogen wanderte Coralies Blick zu dem verstaubten Pokal. Im Halbschatten konnte man die Buchstaben der Gravur kaum erkennen. Ausgerechnet Laura hatte sie darauf aufmerksam gemacht.
    Â»Wie lange steht er schon da?«
    Â»Zwölf Jahre. Rumer hat ihn mir nach seinem Sieg geschenkt. Ich hatte die Zeit für den Boxenstopp von 3,2 auf 2,7 Sekunden runtergedrückt. Das war’s. Damit hat er die Kiste heimgefahren.«
    Â»Ihr wart Freunde?«
    Â»Freunde.« René trank wieder einen Schluck und stellte dann die Flasche ab. »So was gibt’s im Rennsport nicht. Das sind Legenden aus der guten alten Zeit. Heute geht es um den Sieg. Um Millionen. Wer keine Leistung bringt, fliegt. Das kann verdammt schnell gehen.«
    Â»Warum hast du nie was davon erzählt?«
    Â»Du warst noch sehr klein damals, als es passiert ist. Kannst du dich überhaupt noch an die Zeit erinnern?«
    Â»Nur an ein paar diffuse Heldensagen«, erwiderte sie mit einem matten Lächeln. »Aber ehrlich gesagt, habe ich über die nie weiter nachgedacht.«
    Â»Ich war wochen-, oft monatelang weg. Die Formel 1 ist der Tod für Beziehungen und Familie. Alles dreht sich nur um das eine: den Bruchteil der Sekunde. Alles spielt eine Rolle. Jede Schraubendrehung. Fünfzig Leute kümmern sich um zwei Wagen. Drei Mechaniker für jeden einzelnen Reifen. Einer allein für die Airbox. Vier für die Flügel. Und der Lollipop-Mann. Der hebt das Schild, sobald der Wechsel vorbei ist. Alle springen zurück. Der Fahrer gibt Gas. Wroammm!«
    René griff wieder zur Flasche, spielte an dem Etikett. Das Malzbier war ungekühlt und viel zu süß. Sie tranken es nicht, weil sie Durst hatten. Es war ein altes, beinahe vergessenes Ritual. Solange die Flasche nicht leer ist, reden wir miteinander.
    Â»Damals haben wir noch auf dem Land gewohnt«, sagte sie.
    René nickte. »Wir hatten ein Haus, und wir träumten davon, es eines Tages auch abgezahlt zu haben. Als Mechaniker in der Formel 1 verdient man zwar besser als in einer x-beliebigen Werkstatt. Aber reich wird man nicht. Es ist der Idealismus, der die Leute an die Boliden treibt. Es ist – und jetzt lach mich nicht aus – eine so eingeschworene Gemeinschaft, ein so eingespieltes Team, dass der Boxenstopp mich manchmal tatsächlich an eine einstudierte Choreografie erinnert hat.«
    Coralie grinste. »Also hab ich’s doch von dir geerbt.«
    Auch René lächelte, doch er wurde schnell wieder ernst. »Ich habe Jahre gebraucht, bis ich an den Wagen durfte. Angefangen habe ich als Lastwagenfahrer. Dann durfte ich den Boden der Boxen anmalen.«
    Â»Warum denn das?«
    Â»Nur auf frischem Hellgrau siehst du, welche Flüssigkeit der Wagen verliert. Das verkürzt die Diagnosezeit enorm.«
    Â»Ach so.«
    Â»Dann kam ich an die Reifen. Das ist der Ritterschlag. Nur die Allerbesten dürfen das. Und wir waren die Besten. Rumer gewann dreimal in Folge. Wir waren ganz weit oben. Er war drauf und dran, Schumacher vom Podest zu holen. Bis …«
    René schwieg. Trank dann drei große Schlucke. Seine Flasche war fast leer.
    Â»Bis er den Unfall hatte?«
    Â»Ja.«
    Und in diesem Moment verstand Coralie, worum es eigentlich ging. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Oh Hammer! Und ein Mechaniker war daran schuld. Warst du das?«
    Ã„ngstlich sah sie ihn an. Bitte, dachte sie, bitte lass es nicht meinen Vater gewesen sein. Wie absurd: All die Jahre hatte es bei den Mansurs kaum ein anderes Thema als Autos und Rennsport gegeben. Aber dass der eigene Vater bei der Formel 1 gewesen war, dass er für Thomas Rumer in der Box war – das hatte er niemals erzählt. Es war ein Tabu. Coralies Herz zog sich zusammen, denn sie ahnte, nein, sie wusste den Grund.
    René dachte nach. Langsam streckte er seine Hand aus und zog die unterste Schublade heraus. Er wühlte etwas darin herum und brachte dann ein paar uralte Zeitungen zum Vorschein. Kommentarlos warf er sie auf den Tisch.
    Zögernd, fast ängstlich fasste Coralie eine an und drehte sie zu sich herum. Die Schlagzeile sprang ihr

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