Sein anderes Gesicht
gelegt.
Mossa zieht übertrieben die Augenbrauen hoch.
»Holla! Haben wir zwei Neue in der Abteilung?«
Er beugt sich zu uns, als wolle er uns ein Geheimnis anvertrauen und flüstert:
»Ich bin nicht berechtigt, den Fall mit so wenig vertrauenswürdigen Personen wie euch zu besprechen. Gute Nacht, meine Schönen!«, schließt er und lässt die Kippe auf den schmutzigen Kachelboden fallen.
Er schlägt den Kragen hoch und geht. Diana trippelt hinter ihm her. Ich hole sie auf dem Parkplatz ein. Mossa ist schon abgefahren. Diana seufzt:
»Dreckskerl! Na gut, bleibt uns nur der Bus. Wohin fährst du?«
Ich zucke die Schultern.
»Okay, komm mit zu mir. Prinz Charles spielt mit seinen Kumpeln Poker. Er kommt erst morgen früh nach Hause.«
Der Bus rumpelt durch die verlassenen Straßen. Ich erinnere mich plötzlich an mein letztes Treffen mit JesusMarlene. Es war vor zwei Wochen, vor dem Zimmer 38 der Polizeiinspektion. Sie war bei Derek gewesen. Sie glich mehr einer schlecht rasierten Bulldogge als Marlene Dietrich. Wir haben uns kurz begrüßt. Armes altes Haus.
Mein Handgelenk schmerzt. Eine Katze stöbert in einer Mülltonne, eine Ratte läuft über die Straße. Hoch oben am Himmel kreischen die Möwen. Kein Mond. Keine Sterne. Feiner Nieselregen rinnt über die Scheiben. Ich bin müde.
KAPITEL 4
Als ich aufwache, unterhält sich Diana mit jemandem. Ich richte mich auf der Schlafcouch auf und unterdrücke einen Schmerzensschrei. Der verfluchte Arm, den habe ich ganz vergessen. Ich beuge mich vor, um Diana zu sehen. Sie steht im Chanel-Kostüm in der Küche, den Telefonhörer in der Hand. Mit einer Handbewegung in meine Richtung deutet sie auf die dampfende Kaffeekanne. Ich nicke.
Ich fühle mich benommen. Vermutlich die Tabletten, die mir der Arzt gegeben hat. Ich stehe auf, um pinkeln zu gehen. Das Klo ist mit Fotos der königlichen Familie tapeziert. Ich bin nicht daran gewöhnt, unter dem strengen Blick der Königin zu pinkeln, das verwirrt mich. Dann statte ich dem Badezimmer einen kurzen Besuch ab. Mit dem Finger putze ich mir die Zähne und tupfe mein Gesicht mit einer nach Zitrone duftenden Lotion von Prinz Charles ab. Ich greife mir ein schwarzes T-Shirt, das mir zu passen scheint, und streife es mühsam über. Als ich in die Küche komme, ist Diana noch immer am Telefon.
»Ein absolutes Gräuel, alles voller Blut! … Ja … Genau! . Nein, nun stell dir doch nur vor! . Man ist nirgendwo mehr sicher! … Was, ein Stammkunde! … Was? … Okay!«
Sie wendet sich zu mir um und schenkt mir Kaffee ein.
»Das war Estelle. Sie hat gerade einen Kunden, sie ruft später wieder an. Sie hat die Zeitung gelesen, anscheinend berichten sie in allen Einzelheiten über den Fall, ich laufe schnell runter und kaufe eine. Im Schrank steht Zwieback.«
Sie ist schon auf der Treppe. Ohne Appetit knabbere ich an einem Zwieback, trinke einen Orangensaft und rühre in meiner Kaffeetasse. Im Wohnzimmer steht eine Stereoanlage. Ich suche eine CD aus. Diana und Charles haben die schönste Sammlung schottischer Musik, die ich kenne. Ich lege eine Auswahl des Königlichen Regiments von Edinburgh auf, das muntert auf. Auf dem Couchtisch liegt ein Fotoalbum. Prinz Charles im weißen Anzug in Monte Carlo, eine Menge Leute, die ich nicht kenne, bei Abendeinladungen, im Casino, am Swimmingpool, Diana vor ihrer Operation, als sie noch Frank hieß, umgeben von schönen Jünglingen mit Pailletten und Schlaghosen. Ich erkenne ihre Augen, das Kinn, der Rest hat sich verändert - Adel verpflichtet.
»Es steht auf der Titelseite, sieh nur!«
Atemlos reicht sie mir die Zeitung. Die Schlagzeile lautet:
Wieder eine Prostituierte ermordet
Die Polizei ist einem Verrückten auf der Spur Seite 6
Darunter ein Foto vom Ort des Verbrechens mit dem Krankenwagen, der Bahre und den Polizisten, die mit erhobenen Händen versuchen, das Objektiv zu bedecken. Im Hintergrund erkennt man die Tankstelle.
»Der Tankwart wird zufrieden sein, das bringt ihm neue Kundschaft«, fährt Diana fort. »Alle Leichenfledderer der Umgebung werden kommen.«
Ich lese den Artikel, während sie uns Butterbrote schmiert. Der Journalist erinnert daran, dass dies der dritte Prostituiertenmord in knapp zwei Monaten ist und der zweite innerhalb von achtundvierzig Stunden! Die beiden ersten Opfer, Mariana Mikhalkov und Nathalie Devos, wurden in der Nähe eines Supermarkt-Parkplatzes gefunden, das dritte hinter einer Tankstelle am Meer, die abends geschlossen ist
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