Sein anderes Gesicht
habe ich den Weg zu seinem Haus eingeschlagen. Ich sehe Bull, der auf der Terrasse von Lindas Kneipe sitzt. Er trinkt eine Cola, und sein Gesicht hat den zufriedenen Ausdruck eines wahnsinnigen Rindes. Auf seiner Oberlippe klebt ein Pflaster: das freut mich. Ich tue so, als würde ich die Auslagen der Bäckerei betrachten, und beobachte heimlich den Eingang zu Johnnys Haus.
Nach zehn Minuten kommt er heraus, dunkelgrauer Anzug, bordeauxrote Krawatte, hellgraues Hemd, blitzblank polierte Weston-Schuhe. Er ist gekämmt, rasiert und trägt einen Aktenkoffer in der Hand.
Berichtigung: »Johnnys« Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar, der, der hier zur Arbeit geht, ist »Jonathan«. Bull winkt ihm zu, er antwortet mit einer kurzen Geste. In Jonathans Leben gibt es keinen Platz für Bull. Mit entschlossenem Schritt geht er zum Taxistand und steigt in den ersten Wagen, der ihn in sein anderes Leben bringen wird, von dem ich nichts weiß. Mein Wunsch, etwas darüber zu erfahren, ist plötzlich unwiderstehlich. Ich laufe über die Straße und setzte mich in das nächste Taxi. Gott sei Dank hat mir Diana das Geld zugesteckt. Der Fahrer, der aussieht wie der Sultan von Qatar, sieht mich fragend an. Auch wenn ich sicher bin, dass er mich auslachen und rauswerfen wird, sage ich:
»Folgen Sie dem Taxi, das gerade losgefahren ist.«
Wortlos lässt er den Wagen an und schiebt sich in den dichten Verkehr. Vor uns biegt Johnnys Taxi links ab.
»Schnell, wir werden ihn verlieren.«
Der Fahrer zuckt die Schultern, drückt auf einen Knopf seiner Sprechfunkanlage und sagt etwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Eine verzerrte Stimme antwortet. Ein kurzer Dialog. Der Funk rauscht. Er sieht mich im Rückspiegel an.
»Kein Problem«, erklärt er. »Das Taxi vor uns gehört meinem Cousin. Er bringt Ihren Freund zum Ambassador.«
Das Ambassador. Ein Vi er-Sterne-Luxushotel aus den zwanziger Jahren, das an der Promenade liegt. Was hat Johnny dort verloren?
Während wir im Stau stehen, schlucke ich meinen Ärger hinunter. Die Scheibenwischer quietschen mit schöner Regelmäßigkeit.
Ich betrachte die Jogger, die im Regen über den Strand laufen. Die kleinen Hündchen mit lockigem Fell und Regencape, die brav ihr Häufchen in den Rinnstein setzen. Die Boule-Spieler, die unter ihren schwarzen Regenschirmen palavern.
Das erste Taxi hält einige Meter vor dem Ambassador. Ich sehe, wie Jonathan den Fahrer bezahlt. Ich zahle ebenfalls und steige aus. Beinahe hätte ich einen Radfahrer mit gelbem Regencape umgestoßen, der mich mit einem Schwall von Flüchen überhäuft.
Johnny geht die Hoteltreppe hinauf und verschwindet durch die lackierte Drehtür. Das Ambassador gehört zu jenen Hotels, in denen ein stetes Kommen und Gehen zwischen der Pianobar mit Ledersesseln, dem Teesalon und dem Zeitungskiosk herrscht, sodass man völlig unbemerkt bleibt. Ich beschließe hineinzugehen. Ich ziehe ein Gummiband aus meiner Hosentasche und binde mein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Automatisch werfe ich einen Blick auf meine Hände: kein Nagellack, sehr gut. Die Schuhe: große Treter wie sie jetzt in Mode sind. Männerschuhe. Perfekt.
Gerade ist eine Gruppe von Russen angekommen, und die Hotelangestellten an der Rezeption sind überlastet. Ich laufe durch die Hallen, kein Johnny weit und breit. Ich statte der Toilette einen kleinen Besuch ab, um mein Äußeres zu überprüfen: ein Geschöpf unbestimmten Geschlechts, bleich und hager, mit sehr dunklem Haar, blickt mich im Spiegel an. Es trägt eine schwarze Lederjacke, ein schwarzes, zu großes T-Shirt und eine verwaschene Jeans. Das eingegipste Handgelenk ruht in einem Tuch. Es hat graue Augen, die von feinen Fältchen umgeben sind. Der Adamsapfel springt vor wie bei einem Truthahn. Normalerweise verberge ich ihn unter einem Schal oder einem Rollkragenpullover. Die langen Nägel sind sorgfältig manikürt. Am Ringfinger steckt ein Ring in Form eines Skarabäus - das Geschenk eines Motorradfahrers. Ich zwinkere dem Spiegelbild zu, es zwinkert zurück, ich gehe hinaus.
Plötzlich fällt mir ein, dass Johnny hier vielleicht ein Zimmer haben könnte. Ich frage den erschöpften Angestellten an der Rezeption nach Monsieur Belmonte. Unter diesem Namen sei hier niemand abgestiegen, antwortet er, während er weiter mit den Russen auf Englisch radebrecht. Also gehe ich auf einen zierlichen Pagen zu, der, an eine Säule gelehnt, im Stehen zu schlafen scheint. Ich erkläre ihm, dass ich
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