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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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und deren Umgebung bei der Polizei als bevorzugter Treffpunkt für zahlreiche Peripatetiker bekannt ist.
    »Peripatetiker, dass ich nicht lache! Er wollte nicht sagen, dass es der Transvestitenstrich ist!«, ruft Diana aus. »Ah! Diese kleinbürgerlichen Spießer .«
    »Nicht jeder hat die Geistesgröße der wahren Aristokraten«, bemerke ich und nehme meine Lektüre wieder auf.
    Keine Fingerabdrücke am Tatort, man wartet auf das Ergebnis der genetischen Analyse. Die Opfer wurden mit einer sehr scharfen Stichwaffe getötet, erklärt der Journalist. Der Mörder hat wie besessen immer wieder zugestoßen und sogar die Gesichter seiner Opfer verstümmelt. Keine weiteren Details, schließlich handelt es sich um eine Zeitung für die ganze Familie.
    »Die Zunge!«, ruft plötzlich Diana. »Der Arzt hat davon gesprochen, erinnerst du dich? Ich bin sicher, das ist es. Nun stell dir das nur mal vor! Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, dass wir die arme Marlene auf ihrer Bahre gesehen habe, sie lebte noch, und wenn man sich vorstellt, dass ihre Zunge . O nein, das ist wirklich ekelhaft!«
    Ich schlucke. Ich habe keine Lust, mir diese Art Details vorzustellen.
    Im letzten Abschnitt erfahren wir, dass die Polizei die Bekannten und Freier der Opfer unter die Lupe nehmen wird. Rache? Wahnsinnstat eines Serienmörders? Neben der abgeschnittenen Zunge verschweigt der Journalist zwei weitere Informationen: Das dritte Opfer war ein Transvestit und starb erst im Krankenhaus. Diese Informationen wollte die Polizei also nicht veröffentlichen. Das ist immer nützlich, um die Geständnisse irgendwelcher Verrückten auszusortieren, die Selbstanzeige erstatten, ohne etwas mit der Tat zu tun zu haben.
    Wie durch einen Wirbelsturm fliegt die Wohnungstür auf, und Charles, die Morgenzeitung unter dem Arm, schwankt herein. Mit düsterem, wütendem Gesicht und einer Whiskyfahne torkelt er auf uns zu.
    »Hast du das gesehen? Nein, wirklich, hast du das gesehen! Es gibt keinen Respekt mehr, nichts zählt mehr!«
    Er lässt sich auf das Sofa fallen, zieht an seiner verdrehten Krawatte und legt sein Gl encheck-Jackett ab. Er sieht aus wie Georges Foreman nach seiner Niederlage gegen Muhammed Ali in Kinshasa.
    »Wie viel hast du verloren?«, fragt Diana mit feuchten Augen.
    »Geht dich nichts an! Gib mir Kaffee. Was hast du hier zu suchen?«
    Du, das bin ich. Diana antwortet an meiner Stelle:
    »Die arme Bo sitzt auf der Straße. Ich habe ihr gesagt, sie kann hier übernachten.«
    »Die arme Bo sitzt auf der Straße …«, äfft Prinz Charles nach und bedenkt mich mit einem wenig freundlichen Blick.
    Er wendet sich an Diana.
    »Ich habe dir schon hundertmal gesagt, ich will nicht, dass du hier Nutten anschleppst.«
    Diana nickt und reicht ihm eine Tasse starken Kaffee.
    Prinz Charles klopft mit seiner dunklen Hand auf die Zeitung.
    »Heute Abend gehst du nicht arbeiten. Du wirst so lange nicht arbeiten gehen, bis sie diesen Verrückten geschnappt haben, verstanden?!«
    »Aber die Raten für das Haus«, protestiert sie.
    Sie haben ein Bauernhaus im Hinterland gekauft, mit Ziegen und Olivenbäumen. Dort spielt Diana zur Entspannung Marie-Antoinette.
    »Das ist mir egal! Du bleibst hier! Verflucht, wir werden den Kerl schnappen und ihm die Eier abschneiden, du wirst schon sehen!«
    Geschmeichelt angesichts der Sorge ihre Machos, beugt sich Diana zu ihm herab und streichelt liebevoll sein Gesicht. Ich nutze die Gelegenheit, um mich davonzustehlen, gestärkt durch ein richtiges Frühstück und noch dazu sauber.
    Draußen ist es kalt. Das schöne Wetter hat einem hässlichen grauen Himmel Platz gemacht, es regnet kalte Tropfen, Aprilschauer. Ich stelle fest, dass Diana einen Fünfhundert-Franc-Schein in die Gesäßtasche meiner Jeans geschoben hat. Da wird mir warm ums Herz, wie man so schön sagt.
    Ich gehe am Blumenmarkt entlang, wo die Mimosen verwelken. Mein eingegipster Arm ist schwer. Ich versuche, an nichts zu denken, aber meine Gedanken kreisen ständig um die Morde. Um die Leiden der Opfer. Solange ich mich erinnern kann, bin ich an Schmerzen gewöhnt. Als ich im Sado-Maso-Club arbeitete, sagte man, ich wäre die Beste. Diejenige, die am meisten aushält. Manche Kunden gingen sogar so weit, dass hinterher ein Arzt kommen musste. Die Narben sind mir innerlich und äußerlich geblieben. Wenn ich bedenke, dass ich bereit wäre, mich Johnny hinzugeben, mich auf dem Altar seiner Brutalität zu opfern, und dass er mich zurückweist .
    Unbewusst

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