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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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für jeden. Natürlich bekam sie öfter Herrenbesuch, aber nie gab es einen Skandal, nie irgendwelchen Lärm. Ich weiß nicht, warum die Leute so gemein zu ihr waren.
    Darum ging sie nur im Supermarkt einkaufen. Sie wollte nicht mehr in den Geschäften hier im Viertel kaufen, weil die Händler boshafte Bemerkungen machten. Was kümmert das diese Leute? Glücklicherweise gehörte ihr die Wohnung, sonst hätten sie alles unternommen, um sie zu vertreiben. Dieses arme Geschöpf! Wir hatten viel Spaß .«
    Sie leert ihr Glas und schenkt sich nach; langsam begreife ich, warum sie nichts gehört hat. Ich stelle mir ihre netten, feuchtfröhlichen Abende vor, die übergewichtige Transvestiten-Hure und die ehemalige Revuetänzerin, heute Witwe, die sich langweilt. Ich frage sie, wer die Polizei verständigt hat. Sie war es.
    »Ich schlafe nicht mehr viel und stehe früh auf. Als ich um sieben Uhr hinuntergehen wollte, um die Zeitung zu kaufen, sah ich die kleinen roten Flecken auf dem Boden, die von ihrer Tür zur Treppe führten. Ich bückte mich … O mein Gott! Ich brauchte keine Brille, um festzustellen, dass es Blut war. Ich hatte Angst, sie könnte sich verletzt haben, und läutete an ihrer Tür Sturm. Keine Antwort! Sie hatte mir ihren Schlüssel gegeben, für alle Fälle … aber ich wollte nicht aufsperren . Oh, wissen Sie, mir war sofort klar, dass ein Unglück geschehen war! Ich hatte schon immer Vorahnungen . Mein erster Mann .«
    »Und dann sind Sie in Ihre Wohnung zurückgegangen, um zu telefonieren?«
    »Ja . Ich bin an eine dumme Göre geraten, die mich alles zweimal hat wiederholen lassen. Aber dann sind sie sofort gekommen. Ein schwarz gekleideter Kommissar, den ich für den Leichenbestatter gehalten habe, was ihn zu verärgern schien. Ein sehr höflicher Mann, aber eher kühl … Jene Art von Mensch, denen man besser nicht zu nahe kommt. Ich habe ihm gesagt, sein Gesicht komme mir bekannt vor, und er hat mir erklärt, sein Foto sei letzte Woche im Zusammenhang mit dem Postüberfall in der Zeitung gewesen.«
    Das wundert mich bei unserem Freund Luther nicht. Er lässt keine Gelegenheit aus, um sich in den Vordergrund zu drängen. Sehr medienwirksam, unser guter Pastor.
    »Dann kamen andere Polizisten und die Männer von der Spurensicherung in weißen Overalls und mit ihren Köfferchen«, fährt Louisette fort, »und ein Fotograf, der so hässlich war wie die Nacht. Er hat die Flecken fotografiert, und sie haben sie mit einem komischen Ding abgeschabt, während der schwarz gekleidete Kommissar die Wohnung inspizierte. Als er wieder rauskam, hat er ihnen gesagt, sie könnten anfangen. Ich habe ihn gefragt, was passiert sei.«
    Ihre Stimme versagt. Nach einer Weile fährt sie fort: »Er hat mir erklärt, Maeva sei ermordet worden, man habe sie mit mehreren Messerstichen getötet. Ich war völlig schockiert. Und dann kam der Gerichtsmediziner. Ein Glatzkopf mit großen Nasenlöchern. Der hält sich auf alle Fälle auch für was Besseres. Danach haben sie mich hineingeführt, damit ich mir die Wohnung ansehe und überprüfe, ob etwas gestohlen ist.«
    Ihre Stimme zittert erneut.
    »Sie lag am Boden, und überall war Blut, mein Gott! All das Blut und ihre geöffneten Augen - als würde sie mich ansehen, als würde sie um Hilfe rufen … Beinahe wäre ich ohnmächtig geworden. Der Kommissar hat mir einen Cognac gegeben. Ich habe gesagt, alles schien in Ordnung und nichts gestohlen zu sein. Die Krankenwagenfahrer haben sie in einen Plastiksack geschoben, wie im Fernsehen, und haben sie weggebracht. Mir haben die Knie so sehr gezittert, dass ich mich an der Wand festhalten musste.«
    Ich murmele einige mitfühlende Worte. Sie trinkt einen Schluck Portwein und seufzt:
    »Der Kommissar wollte die Meinung des Gerichtsmediziners hören, aber der wollte nichts sagen. Dann haben sie sich angeschrien. Wie unsympathisch dieser Mediziner war! Noch etwas Portwein?«
    »Nein, danke, ich habe noch.«
    »In Ihrem Alter versteht man es nicht, das Leben zu genießen, und dann ist es zu spät!«
    Ich nicke schweigend und balanciere das Glas auf meinen Knien. Wenn nichts gestohlen worden ist, handelt es sich nicht um einen Einbruch.
    »Und dann waren da diese Buchstaben an der Wand«, fährt Louisette fort. »Zwei Buchstaben: ein B und ein O in Großbuchstaben. >Sie hat sie sicherlich mit ihrem Blut geschrieben^ hat der Gerichtsmediziner gesagt. Und der Kommissar hat gemeint: >Ah, Sie sind wohl unter die Graphologen gegangen?< Ich

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