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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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habe nichts gesagt, aber ich weiß, wer Bo ist.«
    Mein Herzschlag setzt aus.
    »Wie bitte?«
    »Ja, ich weiß, wer das ist. Es ist eine Freundin von ihr. Eine gute Freundin. Sie hat oft von ihr gesprochen. Sie fand, das sei eine Frau von Format. Einmal hat sie mir ein Foto gezeigt. Warten Sie, ich habe es vielleicht sogar noch hier.«
    Sie erhebt sich, sucht in ihrem mit Papieren voll gestopften Sekretär und kommt mit einem Umschlag voller Fotos zurück.
    »Hier, sehen Sie, das wurde letzten Herbst aufgenommen.«
    Ich betrachte die Bilder. Maeva, lächelnd und imposant in ihrem bunt geblümten Pareo und den weißen Ledersandalen, das Handgelenk mit Schmuck überladen, eine kleine Strohhandtasche am Arm, den sie um eine stark geschminkte, junge Frau im smaragdgrünen Satinkleid gelegt hat, die dazu passende Sandalen trägt; volle dunkle Locken fallen ihr über die Schultern. Beide heben sie Kelche mit perlendem Champagner zum Objektiv der Kamera. Im Hintergrund erkennt man die Tankstelle. Ich erinnere mich .
    Es war neun Uhr abends. Sie hatte Champagner gekauft, weil ich aus dem Gefängnis entlassen worden war. Wir haben uns köstlich amüsiert. Einer ihrer Freier hat das Foto gemacht, ein netter Italiener.
    »Sehen Sie«, tönt Louisette, die leicht beschwipst ist, »das ist Bo. Sie hat schönes Haar, nicht wahr, wie Sie, schwarze Locken.«
    Sie tritt einen Schritt zurück, mustert mich, öffnet den Mund, schließt ihn wieder, legt die Hand auf ihr Herz.
    »O mein Gott!«
    Sie beruhigt sich nicht, ihre Hand verkrampft sich.
    »Sie haben mir vielleicht einen Schrecken eingejagt … Und ich dachte . Ich dachte nämlich, die Frau auf dem Foto wäre eine richtige Frau .«
    Ich lächele.
    »Das ist das erste freundliche Wort, das ich heute höre.«
    »Ah, also Sie waren das!«
    Ich sehe ihr direkt in die Augen und sage klar und deutlich:
    »Ich habe Maeva nicht getötet.«
    »Da bin ich ganz sicher, mein Kleiner. Warum hätten Sie auch so etwas tun sollen?«
    »Ich weiß es nicht, aber die Polizei glaubt es. Sie glauben, wenn sich jemand im Sterben noch die Mühe macht, einen Namen an die Wand zu schreiben, dann deshalb, weil es der des Mörders ist.«
    »Sie wollte vielleicht etwas anderes schreiben …«
    »Ich kenne niemanden, der Boris oder Bocage heißt.«
    »Weil Sie an einen Vornamen denken. Aber wenn es nun der Anfang eines Familiennamens ist?«
    Plötzlich sehe ich die lustige Witwe mit anderen Augen. Das ist tatsächlich eine Hypothese, die sich nicht von der Hand weisen lässt. Aber das bedeutet in jedem Fall, dass Maeva ihren Mörder kannte. Aber dieser hat nichts gestohlen, und auch von Vergewaltigung war nicht die Rede. Also . Der Typ kommt herein, stürzt sich auf sie und ersticht sie. Warum? Rache? Wem hätte Maeva etwas antun können? Und wie soll ich das herausfinden?
    »Hatte sie in der letzten Zeit neue Freunde?«
    »Außer diesen Herren . hm, die zu ihr kamen, eigentlich nicht.«
    Sie denkt einen Augenblick nach.
    »Einer kam allerdings relativ regelmäßig, immer nachts, ich habe ihn durch den Türspion gesehen.«
    »Wie sah er aus?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, er kam im Dunkeln herauf, ich habe ihn nur von hinten gesehen.«
    Maeva hat nie von einer ernsthaften Affäre gesprochen. Aber warum sollte es ein Liebhaber gewesen sein? Warum nicht ein ehemaliger Geschäftspartner, ein Freund? Schließlich weiß ich rein gar nichts von ihrer maskulinen Vergangenheit. Von dem, was sie getan hatte, ehe sie auf den Strich ging. Ich kenne nur ihren richtigen Namen, und das auch nur, weil der Pastor ihn mir gesagt hat.
    Ich frage Louisette, ob Maeva manchmal von ihrer  Vergangenheit sprach. Sie verneint. Die Gespräche drehten sich vor allem um Fernsehserien und Kochrezepte. Maeva war ein überzeugter Fan der ländlichen Küche und erfand regionale Gerichte, die Louisette kosten und beurteilen musste. Dazu gab es erlesene Weine, die Louisette aus dem Keller ihres verstorbenen zweiten Ehemannes heraufholte. Ich verspüre einen Anflug von Eifersucht, wenn ich an diese kulinarischen, feuchtfröhlichen Fernsehabende denke. Warum kann ich nicht so leben? Warum muss ich immer in Bewegung sein, so als befände ich mich auf einer niemals endenden Flucht?
    Es klingelt. Louisette öffnet.
    »Oh! Komm herein, Simone!«
    Sie kommt zurück, gefolgt von einer Dame ihres Alters, mit lavendelblauem, zu einer sorgfältigen Dauerwelle gelegtem Haar, die eine Schachtel mit Kuchen vor sich her trägt.
    »Ich hatte ganz

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