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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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hat, wo ich die Nacht verbracht habe. Ich hebe den Kopf.
    »Aber warum .«
    Er beendet meinen Satz.
    »Warum wir an dich denken? Du wirst doch wohl eine Idee haben.«
    »Nicht die Geringste.«
    »Wann hast du Makatea zum letzten Mal gesehen?«
    Bloß nicht meinen gestrigen Besuch erwähnen.
    »Ich weiß nicht, vor zwei oder drei Tagen.«
    »Wo?«
    »Auf der Straße, glaube ich.«
    »Ist dir das nicht in Erinnerung geblieben?«
    »Nein, wir haben uns oft getroffen.«
    Er sieht mich mit dem Lächeln eines Hais an, der einen verletzten Schwimmer ausgemacht hat.
    »Zu oft?«
    »Nein, ganz normal. Verflucht, erklären Sie mir, was los ist!«
    »Bleib höflich, mein Häschen. Hast du dich gut mit Makatea verstanden?«
    »Aber das ist doch total verrückt! Warum fragen Sie mich das?«
    »Rate mal?«
    »Was soll ich raten? Ich habe nichts mit der Sache zu tun!«
    »Hast du nicht gerade drei Jahre gesessen, weil du jemanden erstochen hast?«
    »Aber das war doch etwas ganz anderes. Der Kerl hat mich angegriffen!«
    »Trotzdem war es Mord, mein Täubchen. Wenn du jedes Mal die Kontrolle verlierst, wenn dich jemand angreift . Vielleicht hat dich ja auch Makatea angegriffen?«
    Außer mir, lasse ich mich dazu hinreißen, die Stimme zu heben:
    »Darum also?! Darum verdächtigen Sie mich?!«
    Er hebt die Hand.
    »Reg dich nicht auf, das ist schlecht für den Teint. Ehrlich gesagt, habe ich dich nicht wegen deines kleinen Urlaubs auf Staatskosten herbestellt.«
    Schweigen. Raus damit, du Arschloch!
    »Nein, sondern weil jemand deinen Namen an die Wand geschrieben hat«, fährt er mit der entzückten Miene dessen fort, der eine Maus in der Falle hat.
    »An die Wand?«, wiederhole ich, ohne zu begreifen.
    »Hm, hm. Mit Blut, mit Maevas Blut«, erklärt er und knackt mit seinen weißen Fingern.
    Ich starre ihn verblüfft an. Dann bringe ich heraus:
    »Meinen Namen?«
    Er nickt lächelnd:
    »Hm, hm. B O - nur diese beiden Buchstaben.«
    Ich habe das Gefühl, mein Gehirn sei mit Spülwasser gewaschen worden. Warum sollte Maeva meinen Namen an die Wand geschrieben haben, ehe sie starb?
    »Vielleicht wollte sie >Boris< schreiben«, sage ich.
    »Ja klar, oder >Bonbon< oder >Boxer<. Aber da du Bo heißt und sie dich kannte .«
    Die Hände priesterlich gefaltet, lässt er seinen Satz unvollendet.
    »Aber warum sollte ich Maeva umbringen? Wir waren Freunde.«
    »Es sind fast immer Freunde, die sich gegenseitig töten. Wart ihr Liebhaber?«
    »Absolut nicht. Also wirklich …«
    »Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass sie nicht dein Typ war.«
    Der Schatten eines boshaften Lachens, das andeutet, wie hässlich Maeva war. Schade, dass man nicht ungestraft einen Polizeibeamten schlagen darf! Denkt er ernsthaft, ich hätte etwas mit diesem Mord zu tun? Und wie hätte ich ihn bitte begehen sollen? Ich zeige ihm meinen Arm.
    »Nicht sehr praktisch, ein eingegipster Arm, um jemanden umzubringen .«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, zu was Typen im Mordrausch fähig sind. Du bist doch noch ein Typ, oder?«
    Ich nicke, während ich ihn im Geist mit ausgewählten Flüchen überhäufe. Er deutet mit seinem Stift auf meinen Arm:
    »Der linke Arm, nicht wahr?«
    »Das linke Handgelenk.«
    Damit er nicht annimmt, das sei ein Bluff, erkläre ich:
    »Man hat ihn mir im Krankenhaus eingegipst.«
    »Ich erinnere mich, du warst mit Ihrer Hoheit in der Halle … Bist du Linkshänder?«, fügt er hinzu.
    »Nein«, seufze ich.
    Kurzes Grinsen. Er klopft mit seinem Mont-Blanc-Füllfederhalter auf den Stapel weißes Papier.
    »Gut, hast du mir Fragen zu stellen?«
    »Ja, aber ich nehme nicht an, dass Sie sie beantworten werden.«
    »Versuch's.«
    »Der Zeitpunkt des Todes?«
    »Zwischen vierundzwanzig und ein Uhr. Die Nachbarn haben nichts gehört.«
    »Um Mitternacht arbeitete sie im Allgemeinen.«
    »Es regnete in Strömen. Makatea hat gestern Abend das Haus nicht verlassen. Das wissen wir, weil sie ihre Nachbarin, eine vierundachtzigjährige Witwe, die nicht auf den Mund gefallen ist, zum Abendessen eingeladen hat. Sie hat uns auch gesagt, dass er am Nachmittag Besuch hatte. Eine sehr elegante Dame. Hast du eine Ahnung, wer das war?«
    Ich frage mich, ob er sich über mich lustig macht. Aber nein, er weiß es nicht. Ich zucke die Schultern, um meine Unwissenheit anzudeuten.
    »Maeva und die Witwe haben ein Ragout mit Polenta gegessen«, fährt er fort, »und sich im Fernsehen Colombo angesehen. Die alte Dame ist gegen elf Uhr in ihre Wohnung zurückgekehrt und

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