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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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ihre vornehme Ruhe und Gediegenheit. Er stellte sich vor, wie angenehm es sein müsste, mit Kunst zu handeln. Umgeben von schönen Dingen mit ebenso kultivierten wie wohlhabenden Menschen zu tun zu haben. Aber Willem verstand von Antiquitäten so gut wie nichts, von asiatischer Kunst gar nichts.
    Eine junge Frau kam aus dem hinteren Teil des Geschäfts, hübsch, sehr hübsch, mit kurzem braunem Haar, in schwarzen weiten Hosen und einer violetten Samtjacke.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Willem schaute sich um.
    »Ich sah im Fenster die wunderschöne Vase. Darf ich mir sie einmal näher ansehen?«
    »Aber gern! Ein wirklich schönes Stück. Siebzehntes Jahrhundert.«
    Er betrachtete eingehend die Vase, die auf einem schwarzen, mit reichen Schnitzereien versehenen Tisch im Fenster stand. Sie schien wirklich makellos zu sein, zartweiß mit blassblauen Motiven, ganz offensichtlich chinesischen Ursprungs, was selbst Willem erkannte.
    »Haben Sie eine Zweite da?«
    Ihm war eingefallen, dass es häufig diese Art von Vasen als Paar gab, die man sich auf den Kaminsims stellte.
    »Nein, leider nicht. Die Vase ist ein Einzelstück. Sie wurde erst vor wenigen Jahren aus einem holländischen Schiffswrack geborgen. Die andere ist wohl verloren gegangen.«
    Ganz dumm war seine Frage also nicht.
    »Schade.«
    »Aber wenn Sie an einem Paar in dieser Art interessiert sind, könnten wir uns für Sie bemühen. Sie tauchen immer wieder auf Auktionen auf.«
    »Das ist sehr nett. Aber ich bin nur auf der Durchreise in London«, log er.
    »Darf ich Ihnen trotzdem unsere Karte mitgeben? Wer weiß, vielleicht schauen Sie bei ihrem nächsten Besuch in London wieder bei uns rein.«
    Willem nahm von der hübschen Brünetten die Geschäftskarte entgegen.
    »Auf Wiedersehen und vielen Dank nochmals.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Auf der Straße, in sicherer Entfernung holte Willem die Karte wieder hervor. »Henry Hewitt, Asian Art & Antiques«. Darunter standen die Öffnungszeiten, die Adresse, die Telefon- und Faxnummer sowie eine weitere Nummer und in Klammern »privat«. Fast wie nebenbei, ohne Anstrengung hatte Willem seinen ersten Sieg über Henry Hewitt errungen. Sofort eilte er nach Hause. Er wollte diesen Sieg so schnell wie möglich auskosten. Kaum angekommen, wählte er die letzte Nummer.
    Eine Frauenstimme meldete sich mit »Hallo«, ohne das H auszusprechen, mit deutlicher Betonung auf dem O. Willem legte sofort wieder auf. Am Apparat war wohl Hewitts Frau, die französische Adlige, gewesen, von der er gelesen hatte. Er hatte die Privatnummer der Hewitts! Es war vielleicht nicht viel. Aber endlich hatte er Nikita und Pia etwas Konkretes, ein für das Gelingen der Entführung unbedingt notwendiges Detail vorzuweisen.
    Am nächsten Tag wollte sich Willem für seine Tat belohnen. Nach dem üblichen Frühstück im »Raison d’être« wandte er sich zum nächsten Geldautomaten, um seinen Kontostand zu überprüfen. Wie zu erwarten, verhieß der kleine Beleg nichts Gutes. Mit einem Kredit, der sein Überleben um ein oder zwei Monate verlängern würde, konnte Willem nicht rechnen. Seine Ausgaben überstiegen seit Monaten die Eingänge bei weitem. Zudem konnte er von der Zeitung in Gent keine Überweisung mehr erwarten. Dennoch machte er sich keine Sorgen. Jetzt, da feststand, dass er in absehbarer Zeit mehr als genug Geld hätte, wäre es sinnlos, sich Sorgen zu machen, redete sich Willem ein.
    Angesichts der Summe, die er bekäme, hatten für ihn die Zahlen auf dem Bankzettel jeden Schrecken verloren. Er schob erneut seine Karte in den Automaten, tippte seine Geheimzahl ein, dann den gewünschten Betrag. Er wartete ein paar Sekunden, und der Automat gab seine Karte wieder frei und reichte ihm nach ein paar weiteren Sekunden griffbereit fünfhundert Pfund in Zehn- und Zwanzig-Pfund-Noten.
    In South Kensington bestieg Willem die Piccadilly Line, die ihn fünf Minuten lang bis zur Station Green Park durchrüttelte. Frohen Mutes ließ er sich von der Rolltreppe nach oben tragen.
    Im Piccadilly herrschte geschäftiges Treiben, aber keine unangenehme Enge. Erst am späten Nachmittag würde der alltägliche Wettlauf der Pendler wieder beginnen. Willem lenkte seine Schritte zum Traditionskaufhaus »Fortnum and Mason’s«. In der Lebensmittelabteilung im Parterre wimmelte es von kauflustigen Japanern. Er brauchte nicht lange zu suchen. Er nahm eine grüne Dose Earl Grey aus dem Regal und drängelte sich an der Kasse an ein paar zögerlichen japanischen

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