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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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Seite eins standen nur ein paar Sätze: »Henry Hewitt (39), ein angesehener Kunst- und Antiquitätenhändler aus London (Südwest), wurde am späten Freitagabend auf einem Parkplatz in der Nähe von Heathrow erschossen. Ihm war es zuvor gelungen, seine Tochter Patricia (9) aus den Händen gewissenloser Entführer zu befreien. Bei dem folgenden Schusswechsel wurde er von einer Kugel tödlich getroffen. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um eine brutale Hinrichtung. Seine Ehefrau, Lady Anne-Marie (32), und seine Tochter, die beide das fürchterliche Verbrechen hatten mit ansehen müssen, stehen noch unter Schock.«
    Auf der zweiten Seite war das Haus der Hewitts in Phillimore Gardens abgebildet sowie das Geschäft in Belgravia. In dem Artikel darunter wurde eigentlich nur wortreich wiederholt, was auch auf der ersten Seite stand. Die einzige zusätzliche Information war die Aussage eines Polizeisprechers, dass die Täter vermutlich der russischen Mafia angehörten, die seit dem Kollaps der Sowjetunion versuche, auch in der britischen Hauptstadt Fuß zu fassen. Von Lösegeld war nirgendwo die Rede, auch nichts von Hewitts drohender Verurteilung wegen seiner Beteiligung an Raub und Schmuggel von Kunstgegenständen.
    Die anderen Zeitungen, die auf ihren hinteren Seiten über den Fall berichteten, erwähnten ebenfalls nicht das Lösegeld. Die »Sunday Times« und der »Sunday Telegraph« äußerten allerdings die Vermutung, dass die Entführung von Hewitts Tochter in Zusammenhang mit »möglicherweise rechtswidrigen Aktivitäten« Hewitts im internationalen Kunsthandel stehen könnte. »News of the World« brachte die Abbildung eines weißen Lieferwagens, der dem Nikitas sehr ähnlich war. Nikitas Wagen war aber ein Volkswagen, falls Willem sich recht entsann, und nicht ein Ford, wie abgebildet. Doch Willem wusste, dass der Lieferwagen in jedem Fall eine ernste Gefahr darstellte, so lange er direkt vor Pias Tür stand.
    Pia trug ein Tablett herein mit zwei großen Tassen Kaffee, einem Korb mit den Croissants, Butter und Marmelade sowie einer kleine Vase mit allerdings künstlichen Blumen. Willem war fast gerührt.
    »Vielen Dank. Du entwickelst ja häusliche Qualitäten.«
    Pia lächelte. Sie fühlte sich offensichtlich geschmeichelt.
    »Hier sind die Zeitungen. Alle berichten, was passiert ist. Allerdings wenig Konkretes, keine Personenbeschreibung oder Ähnliches. Nur in der ›News of the World‹ ist ein Bild von einem weißen Lieferwagen, der genauso aussieht wie der unten vor der Tür. Wir müssen ihn unbedingt woanders hinstellen. Möglichst bald.«
    Pia schien sich für die Zeitungen wenig zu interessieren, blätterte sie nur durch, ohne sie wirklich zu lesen.
    »Wir bringen den Wagen einfach nach Shepherd’s Bush und stellen ihn in der Nähe von Nikitas Wohnung ab. Und wenn Michail ihn braucht, kann er ihn sich holen. Er wohnt dort gleich in der Nähe.«
    »Und die Schlüssel?«
    »Die lassen wir unter der Fußmatte beim Fahrersitz. Nikita und Michail haben es immer so gehalten.«
    »Gut, so machen wir es. Aber es muss bald geschehen«, sagte Willem.
    »Erst nach dem Frühstück.«
    Pia stellte anschließend das Geschirr in die Spüle, verteilte die Geldbündel auf die beiden Sporttaschen, die sie hinter der Couch versteckte.
    »Die eine ist für mich, die andere für dich. Du kannst dir eine aussuchen. In beiden ist gleichviel«, sagte Pia gutgelaunt.
    Die Waffe ließ sie dagegen unbekümmert auf dem Tisch liegen.
    Bevor Pia die Tür hinter sich zuzog, lauschte sie einen Moment, ob sie ein verdächtiges Geräusch aus der Wohnung hörte. Willem ahnte, worauf sie achtete. Aber er sagte kein Wort. Er war froh, dass es beiden in den letzten Stunden gelungen war, so zu tun, als wären sie allein gewesen, ohne einen Toten. Und er war erleichtert, als Pia kommentarlos die Tür schloss.
    Pia nahm den weißen Lieferwagen, Willem seinen Mercedes. Willem hatte ihr zuvor die genaue Route, die sie nach Shepherd’s Bush nehmen sollte, eingeschärft, auch dass sie langsam fahren sollte, unauffällig, im Verkehr mitschwimmend, der, obwohl es Sonntag war, lebhaft sein würde.
    Gleich beim Anfahren ärgerte sich Willem über Pia. Sie fuhr los, ohne sich viel um ihn zu scheren. Er hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Er war deshalb heilfroh, als sie die Bayswater Road erreichten. Hier war der übliche Stop-and-go-Verkehr, so dass Pia ihm nicht entwischen konnte. Touristen kreuzten sorglos die Straße, um den sonnigen Tag

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