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Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
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Nikitas Körper zermalmt würde? Aber Nikita war tot. Er würde nichts spüren. Und Nikita wusste, dass die Schusswunde Pia verraten hätte. Er würde nicht wollen, dass nun seine Leiche Pia verrät. Willem süßte den Tee mit viel Zucker und trug die Tassen ins Wohnzimmer. Es wäre die beste Lösung. Es gab keine bessere.
    Vielleicht könnte die Polizei anhand von Leichenteilen nicht einmal mehr die genaue Todesursache feststellen, wenn sie sich überhaupt die Mühe machte, Nikita oder das, was von ihm übrig bleiben würde, genauer zu untersuchen. Das war nur eine vage Hoffnung, was Willem wusste. Er müsste zuerst mit Pia reden. Er müsste ihr beibringen, dass es keinen anderen Ausweg gab.
    »Pia?«
    Willem reichte ihr die Tasse. Sie schaute ihn müde und misstrauisch an. Dachte sie, er wollte mit ihr über Nikitas Sterben und über das, was anschließend zwischen ihnen geschehen war, reden? Das wollte er nicht, ganz und gar nicht. Er würde es nie wieder erwähnen.
    »Pia, wir müssen entscheiden, was wir mit Nikitas Leichnam machen.«
    Er bemühte sich, sich möglichst neutral auszudrücken, ohne jede Emotion. Das würde es Pia erleichtern, zuzustimmen und mitzuwirken. Allein könnte er es nie und nimmer schaffen. Pia auch nicht. Sie waren aufeinander angewiesen. Auf Gedeih und Verderb, dachte Willem.
    »Ich weiß nicht, wie man so etwas macht«, antwortete Pia, als ob es für eine solche Frage eine Patentlösung gäbe. »Weißt du, wie man das macht?«
    »Wir müssen vor allem vermeiden, dass zwischen Nikita und der Entführung ein Zusammenhang hergestellt werden kann, falls man ihn findet«, fing Willem möglichst behutsam an. »Hier lassen können wir ihn keinesfalls.«
    »Aber hast du schon eine Idee?«
    »Vielleicht. Ich bin mir noch nicht sicher.«
    »Nun, sag schon.«
    »Wir könnten Nikitas Tod vielleicht wie einen Selbstmord aussehen lassen.«
    »Und wie?«
    Pia wurde ungeduldig, nicht aus Neugier. Sie wurde ungeduldig mit Willem. Sie spürte, dass er zögerte, offen auszusprechen, was er bereits insgeheim mit sich abgemacht hatte.
    »Bitte, verzeih, Pia! Es ist grauenhaft, was ich jetzt sagen werde. Aber wir könnten so tun, als hätte sich Nikita vor den Zug geworfen.«
    Pias Augen öffneten sich weit, zeigten blankes Entsetzen.
    »Du meinst, wir sollten Nikita irgendwo auf die Gleise werfen? Nikita soll von einem Zug gevierteilt werden?« Pia heulte los. Ihre Stimme wurde schrill. »Will, wie kannst du dir so etwas Schreckliches ausdenken! Was hat dir Nikita getan?«
    »Verzeih mir, bitte! Verzeih mir! Ich weiß, Nikita hat das nicht verdient. Ich will doch auch dir helfen. Wenn du es nicht willst, werden wir es auch nicht tun.«
    Pia weinte, sagte aber kein einziges Wort. Sie schlürfte den heißen Tee, nahm sich eine Zigarette und schaute ab und zu Willem misstrauisch an. Aber er sagte nichts mehr.
    Nach einer Weile stand Pia auf, ging ins Bad. Willem hörte, wie sie duschte. Sie müssten sich also etwas anderes einfallen lassen, obwohl Willem seinen Vorschlag weiterhin für die beste Lösung hielt. Aber er konnte nicht kämpfen, nicht dafür.
    Während Willem immer noch rauchend im Sessel saß, kam Pia aus dem Bad zurück und legte von hinten ihre Arme um ihn. Er fühlte ihr feuchtes Haar an seiner Schläfe.
    »Du hast ja Recht. Aber alles, was wir tun, ist so grausam. Wir sind grausam. Will, lass es uns zu Ende bringen, ohne darüber zu reden!«
    »Es tut mir auch weh! Ich mochte Nikita. Wirklich.«
    »Ich weiß, Will. Ich weiß.«
     
     
    Willem stand unter der Dusche, genoss, wie der heiße Strahl seinen Körper massierte. Er hatte sich schmutzig gefühlt nach der halbdurchwachten Nacht und nach allem, was in der Nacht passiert war. Er würde gleich die Sonntagszeitungen holen. Er war neugierig, was die Zeitungen schreiben würden, falls sie von Hewitts Tod schon wussten. Er sagte sich, er wäre auch neugierig, wenn er nicht indirekt ein Teil der Berichterstattung wäre.
    »Hewitt ist tot.« Wieder ging ihm dieser eine Satz durch den Kopf. Warum schockierte ihn Hewitts Tod mehr als Nikitas langsames Sterben, das Pia und auch er beschleunigt hatten? Er fühlte sich durch Hewitts Tod herausgefordert. Nikitas Tod hatte für Willem einfach nicht dieselbe Bedeutung, weil Nikita nicht dieselbe Bedeutung für ihn gehabt hatte wie Hewitt. Aber warum? Wegen Anne-Marie? Er konnte es sich nicht erklären. Er wagte nicht, tiefer darüber nachzudenken.
    Pia hatte ihm eine neue Zahnbürste herausgelegt.

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